Die Erfassung von winterlichen Beständen verschiedener Vogelarten geht nun schon ins 14. Jahr. Das Projekt ist nicht zu verwechseln mit der vom NABU durchgeführten Stunde der Wintervögel, sondern ein Vorhaben der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg- Vorpommerns.
Dabei werden im Januar und Februar im Abstand von ca. vier Wochen auf einer vorher festgelegten Zählstrecke die Vögel erfasst. Die Zählstrecke sollte zwischen 3 km und 5 km lang sein und möglichst nur einen Lebensraumtyp umfassen, z. B. Grünland, Feld, Wald oder Siedlung.
Meine Zählstrecke umfasste weitläufige Niedermoorwiesen im Thurbruch. Bei dieser Begehung am 05.01.2024 war Sabine Weigler aus Zempin mit dabei, die Interesse hat, ebenfalls eine solche Strecke zu übernehmen.
Los ging’s um 08.00 Uhr, der starke Wind des Vortages mit Hochwasser an der Küste hatte sich gelegt, es war knapp hell genug und wir hatten den Ehrgeiz, vor den Gänsen im Thurbruch zu sein, was auch gelang.
Nach schönem Sonnenaufgang waren erste Stimmen zu hören, Rotkehlchen, Zaunkönig und Schwarzspecht kamen auf die Liste. Allerdings reichlich mühevoll, denn entlang der strukturreichen Strecke herrschte an mancher Hecke nur Stille. Und wenn die Piepser nichts sagen, bekommt man sie auch nicht mit. Hilfreich ist es, die Flugrufe und Kontaktlaute der einzelnen Arten zu kennen und so kamen Kohlmeise, Gimpel, Stieglitz und Feldsperling auf die Liste.
Nun wurde es voll in der Luft, denn die Krähenvögel hatten ihren gemeinsamen Schlafplatz verlassen und flogen in größeren Pulks ins Thurbruch zum Frühstücken ein. Dabei bevorzugten sie deutlich erkennbar nasse Wiesenbereiche, von denen es im Thurbruch auf Grund der vielen Regenfälle momentan reichlich gibt. Allerdings sinken die Temperaturen nun wieder deutlich, Gräben und Vorfluter waren noch eisfrei, aber alle flachen Wasserstellen auf den Wiesen waren dünn überfroren.
Nun wurde es Zeit für die Gänse. Schlafplatz ist der Gothensee und von dort kamen sie nun in langen Ketten und großen Schwärmen herangeflogen, zuerst etwas unschlüssig kreisend und schließlich nahe Labömitz zum Äsen einfallend. Schon im Flug konnte man die Arten unterscheiden, gackernden Rufe der Graugänse, die hohen Stimmen der Blässgänse und die bellend kläffend rufenden Weißwangengänse. Nichts wie hin.
Gänse haben allerdings einen guten Blick für die Landschaft und können sehr gut triangulieren. Gleich hinter dem Ortsausgang Labömitz standen gut 500 Gänse auf einer Wiese, schlecht einsehbar. Also fuhren wir ein Stück weiter bis außerhalb der vermutlichen Fluchtdistanz, denn stören oder gar aufscheuchen wollten wir sie ja nicht. Oh, da standen ja noch 3000 weitere Gänse, zuerst gut versteckt hinter einem Hügel. Aber nun ließen sie sich schön beobachten und gut zählen.
Schon in Labömitz hatten wir die weit tragenden Rufe der Singschwäne gehört, von denen an einer größeren Nassstelle eine Familie mit drei Jungvögeln und mehrere Altvögel saßen, später jedoch das Thurbruch in Richtung Osten verließen. Vielleicht schon Heimzug, denn in der vergangenen Woche hatten dort noch fast 100 Singschwäne gerastet.
In der Nähe wurden wir auf einen im Flug rufenden Kiebitz aufmerksam. Dort entdeckten wir nach aufmerksamem Suchen mit dem Spektiv noch weitere, sehr gut getarnt zwischen den Maulwurfshügeln, besonders, wenn sie mit dem Rücken zu den Beobachtern standen.
Das weitgehende Fehlen von Kleinvögeln begleitete uns auch weiterhin. Es gibt wohl nicht genug Nahrung im Offenland. Die Weißdornbüsche waren längst abgeerntet, die wenigen Hagebutten noch recht hart und an den Erlen hingen ebenfalls keine Früchte.
Auffällig waren nur größere Trupps von Wacholderdrosseln, unter die sich Stare gemischt hatten und die direkt im Grünland nach Nahrung suchten. Offenbar erfolgreich, denn sie waren ständig am Picken. Selbst auf den großen Eisflächen stocherten sie herum.
Ein besonderer Höhepunkt waren zwei adulte Wanderfalken. Ein Vogel überflog uns gleich morgens, während wir später ein Weibchen in der Sonne ruhend auf einem Koppelpfahl beobachten konnten. Bei Ulrichshorst kam später noch ein Turmfalke dazu, im typischen Rüttelfug Ausschau nach Mäusen haltend. An der dortigen Rinderhaltung konnten wir endlich auch einige wenige Goldammern beobachten.
Dass Möwen auch zu Fuß und an Land auf Nahrungssuche gehen, ist vielen Naturfreunden wenig bekannt. Im Thurbruch waren es Massen von Sturmmöwen, gemischt mit Lach- und einzelnen Silbermöwen, die auf den Wiesen umherliefen. Bilden sich niederschlagsbedingt flache Überschwemmungsbereiche, sind sofort die Sturmmöwen zur Stelle, um dort ertrunkene Regenwürmer abzusammeln. Aber nun waren die Blänken überfroren und trotzdem waren die Möwen noch da.
Zwischendurch gab es immer wieder Seeadler zu sehen, teils niedrig überfliegend, teils auch im Grünland sitzend. Die Adler werden natürlich vor allem von den Gänseansammlungen angezogen, wo sie immer wieder erfolgreich jagen.
Von den Gänsen gab es zum Schluss noch einen artreinen Trupp Saatgänse (Waldsaatgänse), auf die wir durch ihre tiefen gackernden Rufe aufmerksam wurden. Sie hielten sich weit abseits der anderen Gänse.
Nun war alles gezählt und wir traten den Rückweg an. Sabine war voller Eindrücke, die sie anhand der Artenliste erst einmal verarbeiten und nachbearbeiten möchte. Und ich kam geradeso pünktlich zum Mittag nach Hause.
Art | Anzahl |
Gänsesäger | 3 (2;1) |
Graugans | 220 |
Blässgans | 1650 |
Saatgans | 120 |
Weißwangengans | 2890 |
Höckerschwan | 39 |
Singschwan | 9 |
Mäusebussard | 6 |
Seeadler | 4 |
Wanderfalke | 2 |
Turmfalke | 1 |
Kranich | 4 (2 RP) |
Kiebitz | 7 |
Silbermöwe | 10 |
Sturmmöwe | 860 |
Lachmöwe | 52 |
Schwarzspecht | 1 |
Buntspecht | 3 |
Kolkrabe | 2 |
Nebelkrähe | 230 |
Saatkrähe | 610 |
Dohle | 90 |
Eichelhäher | 1 |
Kohlmeise | 17 |
Blaumeise | 6 |
Sumpfmeise | 3 |
Zaunkönig | 4 |
Wacholderdrossel | 280 |
Amsel | 5 |
Heckenbraunelle | 1 |
Raubwürger | 1 |
Star | 56 |
Feldsperling | 5 |
Grünfink | 12 |
Erlenzeisig | 21 |
Gimpel | 1 |
Stieglitz | 5 |
Buchfink | 6 |
Goldammer | 8 |
Bericht und Fotos: Bernd Schirmeister