Die Gebietskulisse ist im Vergleich zum Vorjahr erstmals seit Längerem nicht unverändert geblieben. Nachdem das Programm der OAMV in der NABU- Gruppe ausführlicher vorgestellt und beworben wurde, erklärten sich gleich vier neue Teilnehmer bereit, eine Strecke zu bearbeiten, wobei zwei dieser Teilnehmer sich im vorigen Jahr schon einmal am Wintervogelzählen ausprobiert hatten, teilweise jedoch auf anderen Strecken. Insgesamt wurden nun neun Zählstrecken auf der Insel bearbeitet, von denen fünf seit 2009 Bestandteil des von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft des Landes M-V initiierten Monitorings sind, um Genaueres über Vorkommen, Verteilung und Häufigkeit der bei uns überwinternden Vögel zu erfahren. Damit sind wir nun im 14. Erfassungsjahr, so dass eine Menge Daten vorliegen, die jeweils unter recht unterschiedlichen Bedingungen erhoben wurden. Diese Datenreihen sind wertvolle Arbeitsergebnisse, sind doch im Vergleich zur gut untersuchten Brutvogelfauna, Daten zur Verbreitung unserer Vögel im Winter bisher nicht systematisch erhoben worden. Durch die weitgehende Beibehaltung von fünf Zählstrecken über nun schon vierzehn Jahre sind interessante Vergleiche möglich, die nun durch die vier neuen Strecken auf interessante Weise ergänzt werden. Die wichtigsten Lebensraumtypen Wald, Offenland und Siedlung werden durch die Zählungen abgedeckt.
Insgesamt waren neun Mitglieder und Freunde der NABU- Regionalgruppe beteiligt, denen an dieser Stelle für ihren langjährigen Einsatz Dank ausgesprochen werden soll:
Siedlung:
Wald:
Offenland:
Nach der von der OAMV vorgegebenen Anleitung waren je eine Zählung in den Monaten Januar und Februar in etwa vierwöchigem Abstand durchzuführen. Dieses Zeitfenster ließ sich aufgrund vielfältiger persönlicher Belange und Befindlichkeiten
der Teilnehmer nicht immer ganz exakt einhalten. Geachtet werden sollte auf möglichst günstige meteorologische Bedingungen, z. B. wenig Wind, kein Niederschlag, erwünscht Sonnenschein, weil dadurch natürlich die Aktivität der Vögel und damit ihre Erfassbarkeit beeinflusst wird. Die zu wählende Route sollte 3 bis 5 km lang sein, dabei sollte möglichst nur einer der o. g. Lebensraumtypen erfasst werden. Das lässt sich in der Praxis nicht immer ganz genau einhalten, da es gerade auf Usedom noch abwechslungsreiche und eng miteinander verzahnte Lebensräume gibt. Auf dieser Route waren alle Vögel zu erfassen, die eine Beziehung zum untersuchten Gebiet haben, d. h. überfliegende Vögel wurden u. U. nicht mitgezählt, wenn es sich eindeutig um Zug handelte und nicht um kleinräumige Ortswechsel oder Nahrungsflüge. Das Zählgebiet sollte dabei kartenmäßig innerhalb eines Messtischblattes liegen, um spätere überregionale Auswertungen zu erleichtern.
Um die Monatswende November/Dezember gab es im vergangenen Jahr eine winterliche Periode mit Temperaturen bis -10°C und Schnee bis 20 cm. Bis Weihnachten setzte sich jedoch mit einer westlichen Strömung durchgreifend mildes Wetter durch, die Temperaturen stiegen bis 10°C, häufig war es windig und es gab viel Regen. Auch der Jahreswechsel verlief mild. Am ersten Januarwochenende kam es jedoch mit einer nördlichen Strömung von Skandinavien her erneut zu einem Kälteeinbruch, die Temperaturen sanken nachts bis -6°C, im Binnenland sogar bis -14°C und blieben auch tagsüber im einstelligen Frostbereich. Es bildete sich eine dünne Schneedecke bis 2 cm.
Ab Mitte Januar wurde es mit westlichen Strömungen wieder deutlich milder, der Schnee taute und auch die Gewässer waren bis zum 20. Januar wieder eisfrei. Danach blieb es bis Mitte Februar mild, teilweise gab es bis 10°C, Mitte des Monats sogar bis 15°C, mit viel Wind und häufigem Regen, so dass es schwierig war, überhaupt ein geeignetes Zeitfenster für die Durchführung der Zählungen zu finden, das einigermaßen repräsentative Ergebnisse ermöglichte. Auch die zweite Februarhälfte verlief mild, windig und regnerisch, aber bis dahin hatten die meisten Teilnehmer ihre zweite Zählrunde absolviert.
Insgesamt wurden 18646 Vögel erfasst (2020: 16877 Vögel, 2021:10658 Vögel, 2022: 12012 Vögel, 2023: 18947 Vögel). Dabei wurden bei der ersten Zählung im Januar 9478 Vögel und bei der zweiten Zählung im Februar 9168 Vögel registriert. Im Vergleich der letzten Jahre ist das ein ähnlich hoher Wert wie im vorigen Jahr.
Insgesamt wurden 65 Arten registriert (2018: 68, 2019: 62, 2020: 64, 2021: 69, 2022: 59, 2023: 61 Arten), ein guter Mittelwert, der sicher auch der meist milden Witterung zuzuschreiben ist. Dabei wurden bei Zählung 1 insgesamt 60 Arten und bei Zählung 2 insgesamt 62 Arten erfasst. Es gibt aber immer Fluktuationen, d. h. Artenwechsel, so wurden fünf Arten (Eisvogel, Rotdrossel, Singdrossel, Heckenbraunelle, Raubwürger) nur bei Zählung 1 und sechs Arten (Stockente, Rothalsgans, Grünspecht, Kleinspecht, Feldlerche, Schwanzmeise) nur bei Zählung 2 erfasst. Einige typische Akteure des Winters wurden nicht erfasst wie z. B. Habicht, Raufußbussard. Deren scheinbares Fehlen bedeutet jedoch nicht völlige Abwesenheit, die Zählungen sind immer nur Momentaufnahmen, oft schnelle und kurze Zufallsbeobachtungen, abhängig von Witterung, Zeitpunkt, Aktionsradius oder Aktivität des Vogels. Wenn z. B. der Habicht eine halbe Stunde vorher gekröpft hat, dann sitzt er gut gedeckt im Erlenbruch und entzieht sich dem Beobachter. Im Lebensraum Wald mit seinen eingeschränkten Sichtmöglichkeiten ist man stark auf Vogelstimmen angewiesen, wenn der Vogel aber gerade nichts sagt, entgeht er dem Hörnachweis und damit auch der Statistik. Oft bringt die zweite Zählung hier auch höhere Nachweiszahlen, da die Aktivität vieler Arten, besonders der früh balzenden wie Spechten, Kleibern oder Meisen stark zunimmt und sie dann auch mehr von sich hören lassen.
Viele der typischen Wintervogelarten wurden jedoch auch erneut beobachtet, dazu gehören die Meisenarten und Finkenvögel, im Grünland auch Gänse in teils hoher Anzahl. Das Gros der Vögel wurde erneut von wenigen Arten bzw. Artengruppen gebildet, das sind Krähenvögel, Meisen und Finken, daneben Drosselvögel und im Offenland Gänse. Viele Arten kamen oft nur in kleinen Gruppen oder Einzelexemplaren zur Beobachtung, aber gerade diese auch zu entdecken, macht oft den Reiz einer solchen Zählung aus, spornt den Ehrgeiz des Beobachters an, nachdem man die üblichen Verdächtigen über die Jahre recht gut kennengelernt hat oder wie die Neueinsteiger, nun gerade dabei ist.
Die recht große Anzahl von Arten zeigt aber auch die Vielgestaltigkeit der untersuchten Lebensräume sowie deren Habitatqualität. Vor allem im Offenland zeigen sich aber auch große Probleme für die Vögel durch die ausgeräumte Kulturlandschaft, die an vielen Stellen kaum noch Strukturen aufweist, die den Vögeln Schutz, Deckung oder Nahrung bieten können. Wobei eine Zunahme der Strecken nicht gleichbedeutend mit steigender Artenanzahl ist, da in einer geografischen Region mit ähnlichen Lebensräumen natürlich auch ein vergleichsweise ähnliches Artenspektrum erwartet und angetroffen werden kann. Manchmal ergeben sich jahrweise Unterschiede z. B. durch gefrorenen Boden, die Verfügbarkeit von Beerennahrung im Offenland, Störungen durch land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten oder Störungen durch Prädatoren, wenn z. B. jagende Seeadler gerade die Gänsemassen vertrieben haben.
Der Wald erwies sich mit 26 Arten (2021: 13, 2022 und 2023: je 15 Arten) artenreicher als in den vergangenen Jahren, blieb aber trotzdem Schlusslicht, was aber nicht verwundern darf, bietet er doch im Winter nicht so vielen Vogelarten geeignete Lebensbedingungen. Im vergangenen Jahr gab es keine Vollmast bei der Buche, nur mäßigen Fruchtbehang, der schnell konsumiert war. Späterhin wurden aber v. a. verschiedene Meisenarten, teils in umherziehenden Trupps, im Wald beobachtet, wie sie die an den Bäumen hängenden leeren Fruchthüllen intensiv absuchten. Offensichtlich verbergen sich darin Insekten oder deren überwinternde Entwicklungsstadien. Beerenfrüchte waren teils knapp, manche Arten wie z. B. Amseln oder Rotkehlchen wandern
dann jahrweise in den Siedlungsraum mit besseren Bedingungen (Gärten, Vogelfütterungen, Komposthaufen).
In den Siedlungen bot sich ein differenziertes Bild, es wurden 32 Arten (2021: 39, 2022: 33, 2023: 38 Arten) beobachtet, also ein eher niedrigerer Wert. Es gab keine Massenvorkommen bestimmter Arten, wie Finkenschwärme oder Ansammlungen von Ringeltauben oder Meisen in den Parks bei Buchenvollmast. Auffällig waren die auf Grund des milden Wetters nur wenigen Futterstellen, so dass auch dort Konzentrationseffekte ausblieben. Zusammenhänge ergeben sich häufig bei waldbewohnenden Arten, die bei dortigem Nahrungsmangel in die Ortschaften einwandern wie Amseln, Meisen oder Finken. Das war in diesem Jahr kaum der Fall.
Im Offenland wurden 53 Arten (2021: 61, 2022: 52, 2023. 54 Arten) gezählt, hier spielt natürlich die Habitatqualität eine entscheidende Rolle. Ob ausgeräumte Agrarlandschaft oder strukturreiches Grünland ist für viele Arten der überlebenswichtige Unterschied, es braucht Deckung plus Nahrung. Ist das der Fall kann man dort natürlich auch Arten beobachten, die sonst eher im Wald oder auch in Siedlungen angetroffen werden können, wie z. B. Meisen, Amseln und selbst Wintergoldhähnchen, manchmal nur in einzelnen Individuen, was den Beobachter dann gelegentlich verwundert. Hier müssen sich die ökologischen Kapazitäten im Artenspektrum der neu besetzten Strecken erst noch zeigen.
Zur Darstellung weiterer Zusammenhänge sei hier ausdrücklich auf die ausführliche Auswertung der Wintervogelzählung 2016 verwiesen.
Insgesamt kamen 14 Arten zur Beobachtung (2021: 19, 2022: 13, 2023: 12 Arten). - Wasservögel sind allerdings auch nicht Zielarten des Programms, das es für diese Artengruppen andere Erfassungsprogramme gibt, z. B. im Rahmen der internationalen Mittwinterzählung, des europaweiten Gänsezensus oder des deutschlandweiten Wat- und Wasservogelzählprogramms. Manchmal halten sich aber auch auf den Wiesengräben oder flächig überschwemmtem Grünland Graureiher, Stockenten und Höckerschwäne und andere Arten auf, die dann natürlich aufgrund des vorhandenen Bezugs zum Lebensraum miterfasst werden. Das kann selbst in Siedlungen der Fall sein, wie z. B. Möwen, die auf Dächern der alten Villen in den Seebädern ruhen (und später dort oft auch brüten) oder Stockenten, die in Parks Bucheckern fressen oder bei strengeren Frösten sich sogar an Futterstellen einfinden können.
Die offene Agrarlandschaft wird zudem von Gänsen zur Rast und Nahrungssuche genutzt. Bei der ersten Zählung wurden 4 Arten mit 4880 Ind. angetroffen, das ist ein knappes Viertel aller registrierten Vögel. Bei der zweiten Zählung waren es 6 Arten mit 3912 Ind. Gänse nutzen die Agrarlandschaft stark umtriebsmäßig, das erklärt z. B. die schwankenden Zahlen bei der Blässgans von Zählung 1 (1650) zu Zählung 2 (1110) im Grünland des Thurbruchs,
Das trifft auch auf die wie schon bei der Mittwinterzählung zahlenmäßig stark dominierenden Weißwangengänse zu, 2890 zu 2700 Ind. suggerieren, dass der Bestand über Wochen stabil und anwesend war. Das traf jedoch nicht zu, da diese große Ansammlung zwischendurch in der Agrarlandschaft auf dem Festland am Peenestrom angetroffen wurde. Warum sie identisch waren? Weil sich dazwischen eine große Seltenheit befand, eine immat. Rothalsgans, von denen es jährlich nur einige wenige Ind. nach Mitteleuropa verschlägt. Normalerweise zieht diese hocharktische brütende Gans zum Überwintern in Regionen am Schwarzen Meer.
Dabei spielen die angebauten Kulturen eine wichtige Rolle, im Herbst werden v. a. auf abgeernteten Maisschlägen die energiereichen Körner gefressen, Saatgänse nutzen auch gern Wintergetreide. Maisfelder stehen jedoch oft nicht lange zur Verfügung, weil bald wieder landwirtschaftliche Arbeiten auf diesen Flächen erfolgen. Die Gänse wandern dann ab dem Spätherbst nach und nach ins Dauergrünland ein, sie fressen dort die energiereichen Grasspitzen, die bei hohem Fraßdruck durch viele Gänse bald abgeweidet sind. Nun kommt es zu klein- und manchmal auch großräumigeren Verlagerungen der Gänseschwärme auf der Suche nach den ergiebigsten Nahrungsquellen. So kann es passieren, dass ein Wiesenkomplex, der tage- oder sogar wochenlang durch Gänse frequentiert war, plötzlich fast gänseleer ist. Wenn das Gras wieder nachgewachsen ist, tauchen sie auch dort plötzlich wieder in großer Zahl auf. Bei größerer Kälte oder Schneelagen wandern viele Gänse auch ins wintermilde Westeuropa ab. Anhand der mit farbigen Halsbändern markierten Gänse lassen sich diese Wanderwege und die Aufenthaltsorte der Gänse manchmal gut verfolgen. Noch extremer sind diese Ortsverlagerungen während des Frühjahrszuges in die Brutgebiete, wo sie dem aufwachsenden Gras folgen, so dass immer die energiereichste Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Dabei kann es v. a. im Baltikum noch zu längeren Rastaufenthalten kommen, weil sich die Tiere auch Fettreserven für den langen Weiterflug anfressen müssen. Die spätere Ankunft im arktischen Brutgebiet fällt dann schließlich auch dort mit der Schneeschmelze und dem aufsprießenden Gras zusammen.
Beim Kranich - insgesamt 27 Ind.- (2022: 46, 2023: 23 Ind.) kam es zu durchgängigen Überwinterungen, eine in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachtende landesweite Tendenz. Im atlantischer geprägten Westteil des Landes sind es sogar schon Trupps, die hunderte Kraniche umfassen können, teilweise hatten die Brutpaare ihre angestammten Reviere gar nicht verlassen und konnten sogar noch mit ihren vorjährigen Jungen beobachtet werden. Einige Revierpaare waren im Januar nur kurzzeitig abwesend, zogen vielleicht auf der Suche nach überständigen Maisfeldern als günstige Nahrungsquelle kleinräumig umher und waren nach dem Einsetzen milderer Witterung schnell wieder im angestammten Revier.
Insgesamt kamen wie im Vorjahr 6 Arten zur Beobachtung (2021: 8, 2022: 7). Die nachfolgenden Zahlen in Klammern mit Schrägstrich geben jeweils die Anzahl bei der ersten bzw. zweiten Zählung registrierten Individuen an.
Häufigste Art war der Mäusebussard mit 18 Ind. (2021: 26, 2022: 12) und ausgeglichener Verteilung bei beiden Zählungen (8/10). Offenbar war es erneut kein besonders mäusereiches Jahr, denn auffällige Ansammlungen wurden in der Agrarlandschaft nirgendwo beobachtet.
Seeadler sind insgesamt 19 beobachtet worden (2022: 14, 2023: 15). Tteilweise kommt es immer wieder zu Konzentrationen v. a. von Jungadlern, die z. B. Gänse gemeinsam jagen. Ablesungen beringter Adler zeigen einen weiten Einzugsbereich der bei uns überwinternden Adler aus ganz M-V, den angrenzenden Bundesländern und auch aus den Anrainerstaaten der Ostsee. Die jahrweisen Unterschiede sind schwierig zu interpretieren, dafür ist die Zählgebietskulisse zu klein. Manchmal sind es kleinräumige Verlagerungen, die aus günstigen Nahrungsquellen
resultieren können, weil kopfstarke Gänseansammlungen natürlich Adler anlocken. Durch das milde Wetter sind wohl aber viele Adler östlich verblieben und gar nicht bis zu uns gekommen.
Regelmäßig im Winter tritt bei uns noch der Sperber auf, aber wie 2023 mit nur 3 Ind. (2022: 7 Ind.), der als fast reiner Vogeljäger besonders in Ortschaften unter den zahlreichen Kleinvögel erfolgreich Beute macht. Aber auch im Offenland trifft man diesen Schleichjäger an. Unsere heimischen Sperber sind überwiegend Zugvögel, die hier im Winter anwesenden Sperber stammen überwiegend aus Skandinavien und dem Baltikum.
Der Rotmilan, 12 Ind., (2022: 4, 2023: 1 Ind.) war früher fast reiner Zugvogel mit Winterquartieren in Spanien und Südfrankreich. Heute gibt es z. B. in Sachsen in jedem Winter bereits kopfstarke Schlafplätze, hier ist er noch selten im Winter (1. Zählung und 2. Zählung je 6 Ind.), aber mit zunehmender Tendenz. Bei im Februar beobachteten Vögeln kann es sich zumindest teilweise auch schon um frühe Heimkehrer handeln.
Mit Habicht und Raufußbussard fehlten erneut zwei sonst eigentlich typische Winterarten. Zumindest beim Raufußbussard können Nahrungsverfügbarkeit (Mäuse) und milde Witterung eine Rolle gespielt haben. In anderen Regionen des Landes gab es durchaus Sichtungen der Art, während der Habicht ein fast ausschließlicher Vogeljäger ist.
Ein besonderes Erlebnis sind immer Beobachtungen von Wanderfalken. Nach jahrelang nur Durchzugs- und Winterbeobachtungen brütet die Art inzwischen auch wieder in M-V und erfreulicherweise nach 50jähriger Abwesenheit sogar seit einigen Jahren erfolgreich wieder auf der Insel Usedom. Im Thurbruch rasten sie den ganzen Winter über, entziehen sich aber auch immer wieder der Beobachtung.
Ringeltauben kamen insgesamt 187 (64/123) zur Beobachtung (2021: 269, 2022: 169, 2023: 288), ein nur mittlerer Wert, aber in fast allen Zählgebieten anzutreffen. Eicheln und anfangs Bucheckern in den Wäldern und Parks standen reichlich zur Verfügung. Bei deren Verknappung sind offenbar viele Ringeltauben stärker umhergewandert, wie die Unterschiede zwischen erster und zweiter Zählung zeigen.
Häufigster Specht war erwartungsgemäß der Buntspecht mit 73 Ind. (35/38), (2021: 33, 2020: 33, 2023: 37 Ind.). Die deutliche Zunahme resultiert v. a. aus der Zunahme der bearbeiteten Waldstrecken. Die annähernde Gleichverteilung bei den Zählungen zeigt, dass die Spechtreviere auch im Winter zuverlässig besetzt sind, wenngleich in einigen Zählgebieten durchaus Unterschiede zwischen den Zählungen bestanden, die aber erfassungsbedingt sein können. Im Februar steigt allerdings die Aktivität mit verstärkter Balz und dem arttypischen Trommeln der Vögel, so dass sie dann wieder besser zu erfassen sind, was sich auch leicht im Zahlenverhältnis 35 zu 38 Buntspechten zeigt. Zudem sind die Zahlen der auf den Zählstrecken erfassten Buntspechte seit Jahren stabil, was ebenfalls für konstante Reviere spricht. Mit dem Kleinspecht kam eine weitere Spechtart dazu, die in den letzten Jahren immer seltener beobachtet wird. Dazu noch ein Grünspecht in Heringsdorf, ein besonderes Erlebnis für die Beobachter, eine Art mit allerdings deutlich zunehmender Tendenz. Vor allem während der Balz im zeitigen Frühjahr sind die laut lachend klingenden Rufe oft weithin aus den Revieren zu hören.
Krähenvögel wurden in allen untersuchten Lebensräumen angetroffen, was für die hohe ökologische Anpassungsfähigkeit dieser Artengruppe spricht. Erneut wurden sechs verschiedene Arten gesehen. Die Art mit der höchsten Stetigkeit und weitesten Verbreitung ist die Nebelkrähe mit 886 (424/462) Ind., (2023:1370 Ind.), weniger als im Vorjahr, was aus einer geringeren Besetzung des Schlafplatzes in Bansin resultiert, über deren Einzugsbereich keine Erkenntnisse vorliegen. Die Nebelkrähe als Nahrungsopportunist weiß viele verschiedene Lebensräume und Nahrungsquellen zu nutzen, vom Spülsaum am Strand, zum Komposthaufen im Ort, über Äcker und Wiesen in der Agrarlandschaft, Waldrändern, bis hin zum überfahrenen Wild am Straßenrand.
Saatkrähen kommen auf Usedom nur noch als Wintergäste v. a. aus dem Baltikum und Osteuropa vor, die ehemalige große Kolonie im Wolgaster Stadtgebiet ist erloschen, auch Umsiedlungen auf stadtnahe Inselbereiche blieben nicht erfolgreich. Die nächste beständige Kolonie befindet sich in Anklam. Mit 2892 Ind. ist sie nach den Gänsen die häufigste Art, bei der ersten Zählung waren es 1060 und bei der zweiten 1832 Ind. Dieser Unterschied resultiert v. a. aus der in diesem Winter auffällig späten stärkeren Besetzung des Bansiner Schlafplatzes. Von dort verteilen sich die Saatkrähen ganz überwiegend in der näheren Agrarlandschaft, z.B. im Thurbruch, wie direkt beobachtete An- und Abflüge gezeigt haben, aber der Einzugsbereich geht bis in den Inselsüden vor die Stadt Usedom. Nach dem Silvesterfeuerwerk war der Schlafplatz einige Tage unbesetzt, die Krähen schliefen aber in benachbarten Waldgebieten, wie direkte Anflüge bei der ersten Zählung im Thurbruch Anfang Januar zeigten, bevor sie dann wieder ihren traditionellen Platz nahe der Bansiner Promenade bezogen.
Dohlen sind bei uns sehr seltene Brutvögel (wichtigste Brutplätze in der Region sind die Reste der Karniner Hubbrücke, wo es eine Kolonie von ca. 15 BP gibt und die Kirche in Lassan mit 10- 12 BP), die im Winter Verstärkung v. a. aus östlichen Regionen erfahren. Im Winter sind sie oft mit Saatkrähen vergesellschaftet und nutzen gemeinsame Nahrungsgebiete in der Agrarlandschaft und Schlafplätze. Die hohen Zahlen in Bansin resultieren aus dem wieder besetzten Schlafplatz im Ort. Insgesamt 881 Ind. (290/591 Ind.) zeigen eine ähnliche späte Schlafplatzbesetzung wie die Saatkrähe. Beide Arten ziehen, schlafen und suchen auch Nahrung gemeinsam. So traf man die morgens am Schlafplatz gezählten Dohlen später im Thurbruch bei der Nahrungssuche im Grünland wieder. Es gibt allerdings auf der Insel noch weitere Schlafplätze von Krähenvögeln, so in Kölpinsee und Mölschow sowie im polnischen Swinemünde. Ob und in welchem Ausmaß zwischen diesen Plätzen Austauschbewegungen stattfinden, ist unbekannt.
Zu dieser Vogelgruppe gehören auch die vorstehend gesondert besprochenen Krähenvögel. Singvögel sind die artenreichste Gruppe und stellen mit 32 Arten (2021 und 2023 je: 30, 2022: 27 Arten) die Hälfte aller registrierten Arten. Manche Arten werden dabei oft nur in Einzelexemplaren registriert und fehlen dann jahrweise, z. B. gab es in diesem Winter wie im Vorjahr keine Seidenschwänze bei uns. Erstaunlich ist das erneute völlige Fehlen der Grauammer, eventuell ein Indiz für die doch an viele Stellen struktur- und nahrungsarme Offenlandschaft.
Drosseln, Meisen und Finken bildeten die zahlenmäßig stärksten Gruppen, einige Beispiele sollen das erläutern:
Amseln wurden 178 (94/84) gezählt (2021: 191, 2022: 133, 2023: 192), ein höherer Wert, dabei blieben die Bestände auf vielen Zählstrecken wie in den Ortschaften erstaunlich konstant. Selbst im Wald war das so, was auf eine stabile Nahrungsgrundlage hindeutet und diese war überraschenderweise Efeu, der über und über mit Früchten behangen war. Die Amseln, sonst eher Bodenvögel, turnten hoch oben an den Stämmen und Baumkronen an den Efeuranken herum und pflückten die reifen Früchte, Abwanderung war nicht notwendig.
Rotkehlchen waren es wie im Vorjahr insgesamt 37 (2020: 49, 2021: 48, 2022: 39 Ind.), die ähnliche Zahl spricht für viele Überwinterer. Vor allem in den Ortschaften waren Rotkehlchen auf den Zählstrecken regelmäßig anzutreffen, dabei handelt es sich jedoch in den meisten Fällen nicht um unsere heimische Brutpopulation, die in Südeuropa überwintert, sondern um Zuzug aus nördlichen und östlichen Regionen. Die Rotkehlchen besetzen hier dann ein Winterrevier, dass vehement gegen Artgenossen verteidigt wird. So wird man auch kaum mal zwei Rotkehlchen am Futterhaus antreffen.
Die Kohlmeise ist neben Amsel und Nebelkrähe die Art mit der höchsten Stetigkeit, kein Zähler kam ohne Kohlmeisen nach Hause. Insgesamt wurden 737 (333/404) Kohlmeisen registriert (2021: 649, 2022: 535, 2023: 858 Ind.), ein eher mittlerer Wert. Dabei wurden in den Siedlungen (zwei Strecken) 318, im Wald (drei Strecken) 287 und im Offenland (vier Strecken) 132 Kohlmeisen gezählt, ein Indiz auch für die hohe ökologische Anpassungsfähigkeit der Art. in Siedlungen werden Futterstellen genutzt, aber auch intensiv altes Laub gedreht und gewendet, um überwinternde Insekten zu finden. Im Wald waren es ebenfalls der Boden, aber v. a. die alten Schalen der Bucheckern an den Bäumen, die nach Insekten abgesucht wurden. Im Offenland braucht es Strukturen wie Sträucher und Hecken, Baumgruppen zum Schutz und für die Nahrungssuche. Eine erstaunliche Übereinstimmung ergab sich in Bansin zwischen erster und zweiter Zählung (103/101), wobei das natürlich keineswegs die gleichen Kohlmeisen sein müssen.
Blaumeisen wurden 239 (106/133) gezählt, (2020: 360, 2021: 203, 2022: 113, 2023: 199 Ind.), ein hoher Wert und etwa ein Drittel des Kohlmeisenbestandes. Hier waren es in den Siedlungen 71, im Wald 114 und im Offenland 54 Ind. Im Wald bilden die Blaumeisen oft gemischte Schwärme mit Kohlmeisen und weiteren Arten. Auch bei dieser Art zeigte sich wieder eine überraschend hohe Übereinstimmung in Bansin (29/29).
Die anderen Meisenarten traten in deutlich geringeren Anzahlen auf:
Tannenmeise: 12 Ind.
Sumpfmeise: 55 Ind. (ein hoher Wert für diese Art)
Haubenmeise: 17 Ind. (mit Schwerpunkt im Zempiner Wald)
Schwanzmeise: 29 Ind.,
Beim Bestimmen dieser Arten ist man in hohem Maße auf die Kenntnis der Stimmen (Rufe, Kontaktlaute, Gesang) angewiesen, da sie sich optisch, v. a. im Wald, häufig der Beobachtung entziehen.
Zaunkönige kamen insgesamt 40 zur Beobachtung (2020: 32, 2021: 37, 2022: 32, 2023: 33 Ind.), das sind interessant konstante Winterbestände dieses kleinen Vogels. Die ungleiche Verteilung bei beiden Zählungen (24/16) kann erfassungsbedingt sein. Es gibt jedoch auch winterliche Bewegungen, wie auf dem eigenen Grundstück festgestellt, wo sich im Winter immer ein Zaunkönig aufhielt, während es zum Ende des Winters plötzlich zwei waren, die sich auch bereits morgendliche Gesangsduelle lieferten. Dabei beherbergt unsere Region sowohl nordische Überwinterer (Netzfänge auf der Greifswalder Oie, Ringfund in Peenemünde) als auch angestammte Reviervögel.
Haussperlinge wurden 641 erfasst (2020: 600, 2021: 609, 2022: 625, 2023: 683 Ind.), die Art ist ja ausschließlich auf Ortschaften und deren Randlagen beschränkt. Im Laufe der Zeit lernt man die bevorzugten Aufenthaltsorte der Vögel gut kennen, oft sind das Bereiche mit dichten Hecken, die Schutz bieten und auch zum Schlafen genutzt werden. Die vergleichbaren Zahlen aus den letzten Jahren verblüffen schon ein wenig, dieselben Verdächtigen können es kaum in jedem Jahr sein, denn im Winter leben die Ortssperber fast ausschließlich von Haussperlingen,. Katzen- und Verkehrsopfer sowie die natürliche Mortalität tun ein Übriges. Trotzdem scheint die hiesige Sperlingspopulation gut in der Lage zu sein, diese Verluste durch entsprechenden Bruterfolg wieder auszugleichen, so dass die Zahlen sowohl die hiesige Brutpopulation als auch den Bruterfolg abbilden. Dafür spricht auch die wie in den Vorjahren ausgeglichene Verteilung bei beiden Zählungen (326/314).
Erschreckend ist der nach wie vor sehr geringe Bestand des Feldsperlings (2021: 30, 2022: 12, 2023: 33 Ind.) mit nur noch 18 Ind. (14/4). Eine sehr geringe Zahl. In der offenen Agrarlandschaft trifft man kaum auf Feldsperlinge, kein gutes Indiz für die Qualität der Landschaft. Selbst an Viehhaltungen oder Futterstellen waren Feldsperlinge im Winter nicht anzutreffen. Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich auch bei von der FG Greifswald langjährig betreuten WiVoZä- strecken: kaum noch Feldsperlinge und ein krasses Missverhältnis zur Zahl der Haussperlinge. Auf den Strecken in den beiden Ortschaften wurden überhaupt keine Feldsperlinge mehr angetroffen, dabei verfügt Heringsdorf mit seinen Altbuchen über geeignete höhlenreiche Habitate. Brutmäßig unterliegen sie offenbar der Konkurrenz mit dem Haussperling, wie eigene Beobachtungen an einer Nistkastenpopulation in Bansin zeigten.
Grünfinken wurden 102 beobachtet, (2020: 322, 2021: 138, 2022: 168, 2023: 131 Ind.), ein sehr niedriger Wert. Die Art tritt konzentrierter in den Ortschaften auf, wo sie an Futterstellen ein häufiger Gast ist. Aber auch im Offenland trifft man die Art in geringerer Zahl an, wo sie als Körnerfresser Nahrung findet. Die Zunahme bei der zweiten Zählung (43/59) deutet vielleicht auf beginnenden Durchzug hin. Ob die jahrweise stark schwankenden Zahlen im deutschlandweiten Grünfinkensterben zu suchen sind oder natürliche Populationsschwankungen darstellen, muss, wie bei der Blaumeise, offen bleiben
Erlenzeisige wurden 214 (42/172) registriert, (2020: 1048, 2021: 96, 2022: 478, 2023: 1409 Ind.). Der niedrige diesjährige Wert ordnet sich in die jahrweisen starken Schwankungen ein, die ausschließlich nahrungsbedingt sind. Erlen hatten nur sehr regional überhaupt gefruchtet, vielfach waren die Bäume ohne die typischen schwarzen Nüsschen, und dann fehlten auch die Erlenzeisige. Die deutlich höheren Ergebnisse bei der zweiten Zählung deuten auf beginnenden Heimzug hin, das zeigte sich auch am meinem Futterhaus in Bansin, wo den ganzen Winter über nur einzelne Erlenzeisige auftauchten, in der letzten Februardekade aber täglich plötzlich größere Mengen. Dabei sind diese Erlenzeisige ausschließlich Wintergäste v. a. aus den skandinavischen Weiten und Nordosteuropa, denn als Brutvogel ist die Art hier selten mit stark lückiger Verbreitung.
Ähnlich war es um den Birkenzeisig bestellt, einem jahrweise häufig auftretenden Wintergast aus Skandinavien. Die starke herbstliche Invasion ließ auf schöne Winterbeobachtungen dieses hübschen Finkenvogels hoffen, aber die Karawane zog bis auf einzelne Ind. zügig weiter, weil es an der entsprechenden Nahrungsgrundlage (Erlennüsschen) fehlte.
Goldammern wurden insgesamt 13 (9/4) gesehen, (2020: 15, 2021: 24, 2022: 105, 2023: 92), eine erneut erschreckend niedrige Anzahl. Goldammern schließen sich im Winter oft zu Trupps zusammen, um im Offenland in Ruderalvegetation oder an Viehhaltungen Sämereien zu fressen. Diese Trupps fehlten in diesem Winter völlig, ob fehlender Bruterfolg, weiträumige Abwanderung auf Grund von Nahrungsmangel muss offen bleiben. Auf jeden Fall in der Agrarlandschaft eine ähnlich negative Tendenz wie beim Feldsperling
Keine, möchte man sagen, wenn man sich die Tabelle mit den beobachteten Arten anschaut. Eigentlich nur die üblichen Verdächtigen, aber auch das ist ja erstmal eine Aussage. Naja, ein bisschen was findet sich doch, wenn man etwas länger sucht. Zumal diese Kategorie stark individuell geprägt ist.
Kiebitz: 19, (2022: 21, 2023: 7 Ind.)
Mitte Januar zur Mittwinterzählung kamen auch schon Kiebitze. Die milden Winter verstärken frühen Heimzug oder sogar Überwinterungstendenzen bei dieser Art.
Singdrossel: 4.
Eine wirklich große Überraschung, im Wald bei Kölpinsee gleich einen Trupp von vier Singdrosseln anzutreffen, da die Art ansonsten als Zugvogel den mediterranen Raum aufsucht. Gemeinsam mit Amseln ernährten sie sich dort vom reichlich fruchtenden Efeu und konnten so dem mitteleuropäischen Winter trotzen.
Sommergoldhähnchen: 2
Sommergoldhähnchen im Winter? Ja, gibt es, beides Sichtbeobachtungen. Die Art als Brutvogel zeigt eine deutlich zunehmende Tendenz und so mehren sich vielleicht auch Überwinterungen, die ohne gezielte Nachsuche auf Grund der heimlichen und unauffälligen Lebensweise vielfach unentdeckt bleiben würden.
Raubwürger: 2
Immer ein Highlight für jeden Beobachter, als Brutvogel bei uns leider verschwunden. Es sind skandinavische Durchzügler, die im Winter v. a. ausgedehnte Wiesenlandschaften besiedeln und dort Mäuse oder Kleinvögel jagen, die fehlenden Beobachtungen bei der zweiten Zählung deuten auf frühen Abzug hin oder großräumigere Ortswechsel auf Grund der Nahrungssituation.
Bericht: Bernd Schirmeister