Monitoringprojekte der NABU-Regionalgruppe Usedom

  1. Übersicht  
  2. Die Internationale Mittwinterzählung für Wasservögel
  3. Das Wat- und Wasservogelzählprogramm der Oberen Naturschutzbehörde
  4. Das Gänsezählprogramm im Rahmen des nationalen Monitorings
  5. Brutvogelmonitoring im NSG Peenemünder Haken im Rahmen der AG Küstenvogelschutz
  6. Brut- und Rastvogelmonitoring in den Poldern des Peenetals   

1. Die Internationale Mittwinterzählung für Wasservögel

 

Wer?

Gemeinschaftsaktion der gesamten NABU-Gruppe, da große Gebiete und viele Flächen aufgesucht werden müssen.

 

Wo?

Außenküste der Ostsee, Binnenküste mit Stettiner Haff, Achterwasser und Peenestrom, alle Binnenseen der Insel, verschiedene Polderflächen am Peenestrom, Wiesen und Feldfluren in der Umgebung der Gewässer mit rastenden Wasservögeln.

 

Wann?

Immer Mitte Januar an dem Wochenende, das dem 15.01. am nächsten liegt.

 

Was?

Internationale Gemeinschaftsaktion der Anrainerstaaten der Ostsee (Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden, Dänemark, dazu Norwegen, England, Niederlande), die synchron durchgeführt wird,

International erfolgt die Koordinierung über den Waterfowl Trust in Slimbridge/England und national über den Dachverband Deutscher Avifaunisten mit der Biologischen Station in Münster. Ziel ist die Erfassung der rastenden und überwinternden Wasservogelbestände (Taucher, Enten, Gänse, Rallen, Möwen usw.) als Langzeitmonitoring.

 

Warum?

  • Mögliche Bestandsveränderungen und deren Ursachen rechtzeitig feststellen
  • Kenntnis von Rastplätzen, Schlafplätzen, Nahrungsflächen, um diese entsprechend schützen zu können
  • Erfassung von Arten im Winter, die sich während der Brutzeit in großen und schwer zugänglichen Gebieten in Nordeuropa bis hin zur Arktis aufhalten und die sich jetzt an winterlichen Ratsplätzen konzentrieren
  • Internationale Koordinierung von Schutzmaßnahmen sowohl in den Brutgebieten als auch in den Rast- und Überwinterungsgebieten (Schutzgebiete, Ruhezonen auf agrarisch genutzten Flächen, Einschränkung der Bejagung, Probleme mit Reusen- und Stellnetzfischerei)
  • Ermittlung des Bruterfolges (z. B. bei Schwänen oder nordischen Gänsen)
  • Monitoring von Vogelarten, die in Konflikt mit menschlichen Nutzungsformen stehen (z. B. Kormoran, Gänse).

Wie?

Alle Wasserflächen sind in Zählgebiete aufgeteilt, die jeweils einen internationalen Code haben. Auf der Insel Usedom sowie am angrenzenden Festland gibt es insgesamt 14 Zählgebiete, die teilweise so groß sind, dass wir sie in weitere Zählstrecken unterteilt haben. Viele Wasservogelzähler bearbeiten ihr Gebiet schon viele Jahre lang und kennen es somit sehr gut. Am Zählwochenende werden dann alle Gebiete aufgesucht (z. T. als Punkt- Stopp- Zählung von exponierten bzw. gut zugänglichen Punkten, aber auch als Streckenzählung) und die anwesenden Wasservögel erfasst. Bei extremer Witterung (Nebel, Sturm) steht das darauf folgende Wochenende als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Erfasst werden neben den Wasserflächen auch terrestrische Gebiete wie Wiesen oder Feldfluren, um rastende oder Nahrung suchende Gänse und Schwäne zu registrieren.

 

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2. Das Wat- und Wasservogelzählprogramm der Oberen Naturschutzbehörde

 

Wer?

Einige Mitglieder der NABU-Regionalgruppe bilden die Zählgruppe dieses Programms.

 

Wo?

Im NSG Peenemünder Haken ganz im Norden der Insel, das bis 1990 militärisches Sperrgebiet und damit für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war.

 

Wann?

Im Winterhalbjahr einmal monatlich in der Monatsmitte, im Sommerhalbjahr zweimal monatlich in der Mitte und am Ende des Monats.

 

Was?

Der Peenemünder Haken ist das älteste Naturschutzgebiet in Pommern (seit 1925) und bildet mit seinen Flachwasserbereichen, Sandbänken, Windwatten, Feuchtwiesen und Schilfflächen ein überregional bedeutsames Rastgebiet für Wasservögel (v. a. Taucher, Enten, Säger, Möwen, Seeschwalben) und Watvögel (Limicolen) wie Regenpfeifer, Brachvögel oder Strandläufer), das sich auf der anderen Seite des Peenestroms mit dem NSG Struck noch weiter fortsetzt. Bei diesem Programm werden alle am Peenemünder Haken rastenden Wasservögel sowie der aktuelle Vogelzug erfasst. Die Zählung findet ebenfalls synchron mit weiteren wichtigen Rastplätzen an der südlichen Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern (z. B. NSG Struck, Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, NSG Langenwerder, Wismarbucht) sowie Schleswig-Holstein und Niedersachsen statt.

 

Warum?

Durch die zeitlich synchronisierten Zählungen erhält man einen guten Überblick über die aktuellen Rastbestände dieser Arten, was im Langzeitmonitoring gute Vergleiche ermöglicht und Tendenzen aufzeigt.

 

Initiiert wurde das Programm 1994 von der ehemaligen Vogelwarte Hiddensee unter Leitung von Prof. Helbig. Am Peenemünder Haken sind wir seit dieser Zeit auch dabei, so dass nunmehr eine lange und aussagekräftige Datenreihe vorliegt, die eindrucksvoll die Bedeutung dieses Gebietes als wichtigen Trittstein des Vogelzuges belegt. Nicht umsonst wurde der Gebietsverbund Peenemünder Haken- Struck- Ruden als FFH- Gebiet auch unter internationalen Schutz gestellt. Nach Abwicklung der Vogelwarte übernahm die Obere Naturschutzbehörde die weitere Koordination der Zählungen.

 

Die Insel Usedom mit ihrer schönen und reizvollen Natur und Landschaft ist als stark frequentiertes Tourismusgebiet auch einem starken Nutzungsdruck durch Erholungssuchende ausgesetzt, die sich leider nicht immer an bestehende Gebote und Verbote halten. Davon bleibt auch das NSG Peenemünder Haken nicht verschont. Störungen erfolgen sowohl vom Wasser (Kanus, Sportboote, Fischerei), von Land (Spaziergänger, Badegäste, Wattwanderer) und aus der Luft vom nahe gelegenen Flugplatz Peenemünde. Durch das Monitoring konnten diese Störungen als stark wertmindernd für das Gebiet herausgestellt und wichtige Argumente für die Besucherlenkung, aber auch für Betretungsverbote herausgearbeitet werden. Im Rahmen von geführten Wanderungen können Besucher das Gebiet erleben.

 

Wie?

Die Zählungen werden jeweils von einem Mitglied der Zählgruppe eigenständig durchgeführt. Auf Grund des NSG Status und von der militärischen Nutzung herrührenden Munitionsbelastungen sind Betretungsgenehmigungen von der Oberen Naturschutzbehörde und vom Eigentümer notwendig, die jedes Jahr neu erteilt werden.

 

Die Zählstrecken werden ausschließlich zu Fuß bewältigt, was jedes Mal ein sehr intensives Naturerlebnis schafft und die Zählgenauigkeit erhöht. Um einen besseren Überblick über nicht zugängliche Bereiche des NSG zu bekommen, wird ein gemeinsam mit der im Gebiet tätigen Bundesforst (Revierförster Herr U. Wobser) errichteter Hochstand genutzt.

 

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3. Das Gänsezählprogramm im Rahmen des nationalen Monitorings

 

Wer?

Mitglieder der NABU- Regionalgruppe, die auch schon bei anderen Wasservogelzählungen aktiv sind.

 

Wo?

Schwerpunktbereiche sind die Wasservogelrastgebiete (Schlafplätze), aber vor allem die am Tage zum Äsen aufgesuchten Wiesen und Äcker. Besonders hohe Konzentrationen von Gänsen gibt es auf der Halbinsel Wolgaster Ort, dem Gnitz, im Thurbruch, am südlichen Achterwasser sowie im Lieper Winkel und im Usedomer Winkel. Dazu kommen im Festlandsbereich noch Gebiete entlang des Peenestroms und in den Peenepoldern. Dabei werden die genannten Bereiche nicht in jedem Jahr gleichermaßen von den Gänsen genutzt. Entscheidend sind angebaute Kulturen (Raps wird bevorzugt) und Störungsarmut, was oft die Duldung des betroffenen Landwirtes voraussetzt. Im Spätwinter und Frühjahr halten sich die Gänse dann weniger auf Äckern, sondern mehr auf Wiesenflächen auf und weiden Gras.

 

Wann?

Es gibt vier national verbindliche Zähltermine: Mitte September (nur Graugänse), Mitte November, Mitte Januar (zeitgleich mit der Internationalen Mittwinterzählung) und Mitte März. So wird abgesichert, dass z. B. durch ausgedehnte Nahrungsflüge, großräumige Zugbewegungen oder Kältefluchten die Ergebnisse nicht verfälscht werden.

 

Was?

Erfasst werden alle im Gebiet rastenden Gänse sowie der aktuelle Zug. Bei uns sind das zu allen Zählungen Graugänse, im Spätherbst und Winter dann vor allem Blässgänse sowie Saatgänse. Bei letzterer kommen vor allem Waldsaatgänse, aber auch Tundrasaatgänse zur Beobachtung. Im Inselnorden und in den Peenepoldern können es auch größere Trupps Weißwangengänse sein, von denen sich kleine Gruppen oftmals in den großen Gänsetrupps aufhalten. Nicht oft kommen Kanadagänse in geringer Zahl vor, noch seltener Ringel-, Rothals- und Kurzschnabelgänse.

 

Warum?

Vor allem die nordischen Gänse brüten über ein riesiges und unzugängliches Territorium verteilt, in dem eine vollständige Erfassung nicht möglich ist. So werden die Vögel in den Rastgebieten bzw. im Winterquartier gezählt, was als Langzeitmonitoring verlässliche Aussagen und Prognosen ermöglicht. Zudem erhält man Angaben über den Bruterfolg, da z. B. bei den Blässgänsen Jungvögel noch gut von den Elterntieren unterscheidbar sind. Außerdem lassen sich Schlafplätze und bevorzugte Äsungsflächen definieren, so dass eventuelles Konfliktpotential mit den Landnutzern vermieden bzw. geklärt werden kann. Hier ist dann bei der Lösungssuche auch die Politik gefordert. Auch Fragen der Jagd spielen eine Rolle, die z. B. an den Schlafgewässern verboten ist.

Seit einigen Jahren laufen bei verschiedenen Gänsearten Farbberingungsprojekte mit farbigen Halsbändern, deren Aufschriften über größere Entfernungen abgelesen werden können, ohne die Tiere zu stören. Erste Auswertungen ergaben bereits spannende Einzelheiten über das Verhalten der Tiere in Raum und Zeit. Auf einer Internetseite kann man die Ablesedaten eingeben und erhält dann umgehend einen Lebenslauf seiner beobachteten Gans.

  

Wie?

Vor jedem Zähltermin erfolgt in der NABU-Regionalgruppe während der turnusmäßigen Arbeitsberatungen eine Aufteilung der Zählgebiete, wobei auch bei diesem Programm viele Zähler traditionell „ihre“ Gebiete betreuen und dort über sehr gute Ortskenntnisse verfügen, die auch vonnöten ist, um die Gänse auf den Äsungsflächen zu finden. Beim Zählen ist unbedingt auf eine entsprechend hohe Fluchtdistanz der Tiere Rücksicht zu nehmen. Leider werden die Vögel noch in vielen Ländern, auch in Deutschland bejagt, so dass sie entsprechend scheu sind. Ein Fernglas, besser noch ein Spektiv, ist für diese Aufgabe unbedingt erforderlich. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen (z. B. Nebel) besteht die Möglichkeit, die Zählung um maximal eine Woche zu verschieben.

 

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4. Brutvogelmonitoring im NSG Peenemünder Haken im Rahmen der AG Küstenvogelschutz

 

Wer?

Maßgeblich beteiligt an diesem Programm sind die Mitglieder der NABU-Regionalgruppe H. Jürgens und B. Schirmeister, aber auch durch die Teilnehmer am Wat- und Wasservogelzählprogramm werden Daten beigesteuert. Wichtige Unterstützung gibt es auch durch Herrn R. Adam, den verantwortlichen Gebietsbetreuer für das NSG.

 

Wo?

Der Peenemünder Haken hat durch seine besondere Küstenmorphologie vor allem für rastende Wasservögel eine überregional hohe Bedeutung. Es gibt aber im Gebiet eine Reihe aquatischer Lebensräume, in denen auch Wasservögel brüten. Dazu gehört die Außenküste im Peenemündungsbereich mit ihren Sandbänken und großen Schilfflächen, der Peenestrom, die beiden Binnenseen Cämmerer See und Kölpinsee, einzelne Strandseen und ehemalige Spülfelder sowie einige im Wald gelegene größere Torfstiche. Diese Bereiche bilden keinen in sich geschlossenen Lebensraum, sondern sind flickenteppichartig über ein großes Territorium verteilt.

 

Wann?

Die Erfassungen der Brutvögel haben ihren Schwerpunkt im Frühjahr. Im März lassen sich erste Arten wie Graugänse, Höckerschwäne oder Kormorane an den Brutplätzen beobachten. Hauptmonate sind dann April und besonders der Mai, wenn sich balzende Paare, singende Männchen oder andere Revier anzeigende Aktivitäten gut registrieren lassen. Im Juni kann man dann schon Familien mit Jungvögeln beobachten.

 

Was?

Entlang der Küste von Mecklenburg- Vorpommern gibt es eine ganze Reihe wertvoller und geschützter Küstenbiotope, die eine artenreiche Wasservogelwelt beherbergen. Insbesondere gehören Inseln dazu wie Böhmke und Werder auf Usedom, Kirr und Barther Oie im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft oder der Langenwerder in der Wismarbucht. Diese Küstenvogelbrutgebiete werden oft schon viele Jahrzehnte von Ornithologen betreut, die sich um die Erfassung der Arten kümmern, Brutkolonien von Möwen und Seeschwalben auszählen oder Beringungen durchführen.

 

Nun ist der Peenemünder Haken kein klassisches Küstenvogelbrutgebiet im engeren Sinne, beherbergt aber ein interessantes Spektrum an relevanten Arten. Wert gebend ist der Kormoran, der hier sein drittgrößtes Brutvorkommen im Land hat. Vor allem die Waldbereiche an den größeren Torfstichen sind dicht besiedelt. Neben den Wasservögeln werden auch Greifvögel erfasst sowie Schilf bewohnende Singvögel wie Rohrsänger.

 

Warum?

Viele Küstenvögel sind heute in ihrem Bestand stark gefährdet und in ihren Brutmöglichkeiten auf kleine Inseln, Halbinseln oder Reste von einst ausgedehnten Salzwiesen zurück gedrängt worden, die dem menschlichen Nutzungsdruck noch nicht zum Opfer gefallen sind. Deshalb haben wir heute für diese Arten eine besondere Verantwortung, auch im Rahmen internationaler Schutzverpflichtungen. Küstenvogelbrutgebiete als ehemalige Bestandteile einer reichen Kulturlandschaft sind heute mehr denn je auf die Hilfe des Menschen angewiesen, seien es Pflegemaßnahmen wie Mahd und Beweidung, die Bekämpfung von Prädatoren wie dem Fuchs oder die Besucherlenkung.

 

Seit vielen Jahren werden diese Aufgaben durch die AG Küstenvogelschutz wahrgenommen, die bei der Oberen Naturschutzbehörde des Landes M-V angesiedelt ist. Mitglieder in der AG sind ehrenamtliche Ornithologen, Betreuer der Schutzgebiete, Vertreter der Nationalparke, Behördenmitarbeiter sowie Vertreter wissenschaftlicher Einrichtungen und Institute.

 

2003 wurde dann auch der Peenemünder Haken in das System der Küstenvogelbrutgebiete aufgenommen.

 

Wie?

Um die Brutvögel zu erfassen, werden mehrfach Begehungen des Gebietes vorgenommen. Das können sowohl Gesamtbegehungen als auch Untersuchungen von Teilbereichen sein. Vor allem das Auszählen der Kormorannester erfordert sehr viel Zeit, weil die Koloniebereiche teilweise nur schwer zugänglich sind. Anwesenheit, Revier anzeigende Merkmale und später auch der Bruterfolg werden erfasst.

 

Am Ende der Brutsaison wird ein Arbeitsbericht erstellt, der neben diesen Daten auch durchgeführte Pflegemaßnahmen, Störungen und Beeinträchtigungen, Probleme mit Prädationen enthält. Dieser Bericht stellt die Grundlage für die jährlich im Herbst stattfindenden Tagungen der AG Küstenvogelschutz dar.

 

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5. Brut- und Rastvogelmonitoring in den Poldern des Peenetals

 

Polder Waschow/Wehrland und Polder Klotzow

 

Wer?

Unser Mitglied O. Wenzel ist hier federführend in der Arbeit.

 

Wo?

Peenepolder Waschow/Wehrland und Klotzow entlang des Peenestroms.

 

Wann?

Im Winterhalbjahr (September bis März) wird jeweils zur Monatsmitte der Rastbestand an Wasservögeln in den Poldern und ihrer Umgebung registriert. Im Frühjahr stehen Aktivitäten zur Erfassung der Brutvögel (Wasservögel, Greifvögel, Singvögel) im Mittelpunkt der Arbeiten. Diese Tätigkeiten sind stark witterungsabhängig. Sie erstrecken sich oft in den zeitigen Morgenstunden. Art abhängig wird aber auch am Abend oder sogar in der Nacht die Aktivität bestimmter Vögel, z. B. der Rallen erfasst.

 

Was?

Entlang der Peene und des Peenestroms wurde Jahrhunderte lang Landwirtschaft betrieben. Zuerst extensiv im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Technik. Später wurden Flächen eingedeicht, Feuchtwiesen entwässern, um Wiesen und Weideland zu gewinnen. Vor allem zu DDR- Zeiten wurden umfangreiche Meliorationen betrieben und artenreiche Feuchtwiesen in Saatgrasland umgewandelt. Die intensive Bewirtschaftung mit hohem Viehbesatz, mehrfacher Mahd im Jahr, starker Düngung und tiefen Entwässerungsgräben führte über die Jahre zur Zerstörung der ehemaligen Niedermoorstandorte und zu umfangreichen Moorsackungen, so dass die großen Wiesenkomplexe hinter den Deichen schließlich tiefer als der Fluss lagen.

 

Am 4./5.11.1995 brachen während eines Jahrhunderthochwassers entlang der Peene um die Stadt Anklam mehrere Deiche. Das führte zur Überschwemmung der hinter dem Deich liegenden Wiesen. Nach jahrelanger Diskussion stellte man schließlich fest, dass sich die Natur diese Flächen längst wieder zurückgeholt hatte. Neubau oder Ertüchtigung der maroden Deiche, Kosten für das ständige Pumpen und die Unterhaltung der umfangreichen Anlagen wären unbezahlbar gewesen. Nun konnten sich diese Flächen ungestört in einen fast natürlichen Zustand entwickeln. Es fanden sich artenreiche Lebensgemeinschaften zusammen, von denen selbst Optimisten nicht zu träumen gewagt hätten. Wasser ist Leben-dieser Grundsatz wurde im Peenetal buchstäblich mit Leben erfüllt. Ob es Brutvögel waren, die dort teilweise über Jahrzehnte nicht anzutreffen waren wie z. B. Schwarzhalstaucher oder Trauerseeschwalben, sich völlig neu ansiedelten wie Weißbartseeschwalben oder deren Bestände erfreulich anstiegen wie Schnatter- und Löffelenten, Kraniche, Flussseeschwalben, Rohrweihen oder Blaukehlchen. Das Peenetal wimmelte von Rote-Liste-Arten. Schnell entwickelten sich auch neue Rast– und Mausertraditionen. Gänse, Enten, Rallen und Limicolen rasteten zu Hunderten und Tausenden auf den neuen Flächen. Vor allem Gründelenten wie Schnatter- und Löffelenten, aber zunehmend auch Graugänse nutzten die großen und ungestörten, zum Teil durch zunehmende Sukzession gute Deckung bietenden Flächen in großer Zahl auch zur sommerlichen Mauser. Aber auch andere Tiere wie Rothirsche, Fledermäuse, Schmetterlinge, Libellen und Käfer finden hier artgerechten Lebensraum vor.

 

Nun setzte eine Entwicklung ein, die einige Jahre zuvor ebenfalls für undenkbar gehalten wurde. Der Mensch gab freiwillig der Natur etwas zurück. Durch den Rückgang der Viehbestände wurden Wiesen in dieser Größenordnung nicht mehr benötigt. Zudem kam es am Standort Lubmin zu mehreren großen Industrieansiedlungen, wo für versiegelte Flächen ein gesetzlicher Ausgleich an Natur und Landschaft geschaffen werden musste. Ein Polder nach dem anderen wurde wieder vernässt und um die Stadt Anklam herum bis vor die Insel Usedom entstand bis zum Jahre 2012 eine riesige Wasserwildnis, die heute in Mitteleuropa ihresgleichen sucht. In vielen Flächen steht ganzjährig Wasser vom Meterbereich über Teile mit dezimeter- oder zentimeterhoher Überstauung. Das macht sie so wertvoll für eine große Zahl an Tier- und Pflanzenarten. Es entstand ein viele Quadratkilometer großer Verbund aus Wasserflächen, Schlammflächen, Feuchtwiesen, Schilfbereichen und Bruchwäldern.

 

Warum?

Die Polder Waschow/Wehrland entstanden 2006 als Ausgleichsmaßnahme für den Erdgastransport durch eine Ostseepipeline von Russland nach Deutschland durch die Energiewerke Nord (EWN). Die Pflicht zum Ausgleich beinhaltet auch die Aufgabe der Dokumentation der Maßnahme und ihrer Ergebnisse. Hier bestand die große Chance, die Entwicklung eines völlig neu geschaffenen Naturraumes von Beginn an zu verfolgen und zu dokumentieren. Der Polder Klotzow entstand im Jahr 2000 und wurde 2008/09 nochmals renaturiert.

 

Wie?

Die Polder sind von den Ufern her zugänglich, so dass gute Beobachtungsmöglichkeiten bestehen, um die verschiedenen Aktivitäten der Vögel zum Teil aus guter Deckung heraus zu verfolgen. An einer Stelle wurde auch ein Beobachtungshochstand errichtet, um Einblick in unzugängliche Polderbereiche zu bekommen. Auch von den Resten der alten Deiche kann man gut auf die Wasserflächen sehen.

Im Ergebnis entstehen jährliche Brutberichte und Übersichtskarten mit einer entsprechenden Ergebnisdarstellung, die auch den EWN zur Verfügung gestellt wird.

Für die winterlichen Rastvogelzählungen gibt es genormte Zählbögen, in die alle Daten eingetragen werden und nach Abschluss jeder Saison dem Landeskoordinator zur Verfügung gestellt werden.

 

Polder Johannishof/Murchin, Klotzow, Waschow/Wehrland, Anklam West/Görke, Kamp- Rosenhagen- Bugewitz, Menzlin

 

Wer?

Es ist mit den vorhandenen Kräften nicht mehr möglich, alle neu entstandenen Polderflächen einem umfangreichen Monitoring zu unterziehen. Deshalb arbeitet die NABU-Regionalgruppe hier eng mit Anklamer und Greifswalder Ornithologen (insbesondere J. Mohnhaupt, U. Simmrow, D. Sellin, J. Köhler) zusammen.

O. Wenzel und B. Schirmeister sind im Peenetal besonders aktiv.

 

Wo?

Schwerpunkt unserer Arbeiten bilden die 1999 entstandenen Murchiner Wiesen und die Polder längs des Peenestroms. Aber auch die Gebiete um die Stadt Anklam werden mehr oder weniger regelmäßig ausgesucht.

 

Wann?

Alle Polder stehen ganzjährig unter Beobachtung. Teilweise versuchen wir die Arbeiten so zu koordinieren, dass in jeder Dekade eine Zählung stattfindet. Zumindest im Sommerhalbjahr gelingt das dank dem Greifswalder Ornithologen Herrn D. Sellin auch gut. Erfassungen betreffen also sowohl die Brutzeit im Frühjahr als auch das Durchzugs- und Rastgeschehen im weiteren Jahresverlauf. Dazu wird von September bis März jeweils in der Monatsmitte gezählt. Für viele Monate liegen inzwischen noch weit mehr Daten vor.

 

Was?

Schwerpunkte sind im Winterhalbjahr rastende Wasservögel und aber auch alle anderen Vogelarten. Im Frühjahr steht dann wieder die umfangreiche Brutvogelfauna im Mittelpunkt des Interesses.

 

Warum?

Ähnlich wie schon unter 5. beschrieben besteht auch in den anderen Poldern die einmalige Gelegenheit, natürliche Entwicklungen von Beginn an zu verfolgen. Schwankungen des Wasserstandes und unterschiedliche Sukzessionen sorgen für immer neue Entwicklungen in der Tierwelt und für so manche Überraschung.

 

In den Murchiner Wiesen wird auf einer großen Fläche jährlich Schilf gemäht. Diese Arbeiten sind Bestandteil von Bemühungen, den hier ehemals heimischen Seggenrohrsänger wieder anzusiedeln. Selbst wenn das bisher noch nicht geklappt hat, sind die gemähten Flächen äußerst wertvolle Brutlebensräume z. B. für bestandsbedrohte Wiesenlimikolen (Kiebitz, Bekassine, Rotschenkel) geworden. Diese Arbeiten müssen ebenfalls genau dokumentiert werden.

 

Alle Polderflächen genießen inzwischen gesetzlichen Schutz in mehreren Schutzkategorien. Sie sind als NSG gesichert und einbezogen in die Schutzgebietskulisse natura 2000. Damit besteht auch eine internationale Berichtspflicht des Landes gegenüber der Europäischen Union.

 

Wie?

Die Beobachtungsverhältnisse sind für die Polder ähnlich wie schon unter Punkt 5. beschrieben. Zu vielen Entwicklungen im Peenetal gibt es inzwischen eine Reihe von Publikationen in naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften. Auch Studenten der Universität Greifswald sind an der wissenschaftlichen Arbeit beteiligt. Sie untersuchen Teilgebiete oder befassen sich mit bestimmten Artengruppen wie den Rallen.