Am Wochenende 12.-13. März 2022 war der letzte Termin des nationalen Gänsezensus zu absolvieren. Es gibt übers Winterhalbjahr verteilt insgesamt vier Termine, jeweils zur Monatsmitte im September, November, Januar und März.
Dabei ist der Termin im September vor allem den Graugänsen vorbehalten, die zu dieser Zeit in großer Zahl bei uns rasten. Im November sind dann die arktischen Gänsearten Blässgans, Tundra- und Waldsaatgans sowie Weißwangengans bei uns eingeflogen und haben ihre winterlichen Rast- und Nahrungsgebiete besetzt. In Abhängigkeit von der winterlichen Witterung ist das auch im Januar der Fall. In den letzten milden Wintern kamen jeweils große Anzahlen zur Beobachtung.
Die unsicherste Zählung ist immer im März. Ist es noch sehr kalt, verharren die Gänse weiter in den westeuropäischen Winterquartieren und es gibt wenig zu sehen. Wenn sie dann kommen, haben die Vögel es eilig, in die Brutgebiete zu fliegen und ziehen nur noch fröhlich gackernd über uns hinweg. Manchmal nicht mal das. Wenn sie übers offene Meer ziehen, bekommt man vom Heimzug hier kaum etwas mit. Oft ist es jedoch im Februar schon sehr mild und der Heimzug beginnt sehr früh, so dass sie im März zum Zähltermin schon weitestgehend durchgezogen sind.
Die Zähltermine sind deutschlandweit bzw. sogar international synchron abgestimmt, um der Dynamik des Zuges gerecht zu werden und Doppelzählungen zu vermeiden.
In diesem Jahr klappte es jedoch mit den Gänsen. Der Heimzug hatte in vollem Umfang eingesetzt. Der März war zwar sonnig, aber unter Hochdruckeinfluss noch reichlich kalt, mit ständigen Nachtfrösten. Dazu wehte oft ein kräftiger Ost- bis Südostwind, was für die Gänse beim Weiterzug auf Grund des Gegenwindes sehr kräftezehrend wäre. Deshalb gab es kaum Weiterzugbewegungen (Zugstau), dafür hatte sich in der Region aber ein recht hoher Rastbestand aufgebaut.
Zudem folgen sie im Frühjahr zeitlich dem aufwachsenden Gras, weil die Grasspitzen sehr energiereich sind, sie Fettreserven anlegen können und die nötige Kraftnahrung für den Weiterflug bekommen. Ist nun die Vegetationsentwicklung auf Grund der Witterung verzögert, warten auch die Gänse mit dem Weiterflug. Im Baltikum, im Osten Polens oder in Karelien kommt es dann sogar zu mehrwöchiger Rast. In der Tundra ist noch Winter und die Gänse brauchen das frische Gras, müssen also auf den Frühling warten.
Seit einigen Jahren nehmen wir in der NABU- Regionalgruppe alle vier Termine des Gänsezensus wahr, konzentrieren uns dabei aber auf Schwerpunktgebiete der Gänserast.
Dabei stehen weniger die Gewässer im Mittelpunkt, sondern nach den morgendlichen Schlafplatzabflügen die Nahrungsflächen. Das ist im Frühjahr meistens Grünland, aber auch Wintergetreide und seltener Raps wird genutzt. Dabei gibt es traditionelle Einstände, die aber in Abhängigkeit von den Kulturen, Störungen durch Menschen oder Seeadler auch gewechselt werden können, so dass man die Vögel manchmal suchen muss.
Zudem sind die großen Gänsetrupps im Frühjahr oft sehr unruhig. Es herrscht Zugunruhe. Außerdem sind sie mit den Gegebenheiten der Landschaft nicht so vertraut, wie die längerfristig verweilenden Rastbestände und reagieren v. a. auf menschliche Störungen sehr sensibel. Während die winterlichen Trupps Annäherungen häufig tolerieren (z. B. lineare Störungen wie Fahrzeuge auf Wirtschaftswegen, Verkehr an viel befahrenen Landstraßen, Spaziergänger, selbst Hunde auf Wegen), weil sie wissen, dass von ihnen (meistens) keine Gefahr ausgeht, reagieren die Neuankömmlinge sehr schreckhaft und fliehen oft schon auf größere Distanz, was Vorsicht beim Zählen erfordert.
Kathrin Räsch und Wolfgang Nehls waren am nördlichen Achterwasser sowie auf der Halbinsel Wolgaster Ort und nördlich davon am Peenestrom unterwegs. Harald Jürgens bearbeitete das Festland entlang des Peenestroms von Kröslin über die Insel Großer Wotig, die Gebiete um Wolgast bis zu den Hohendorfer Wiesen. Ralf Wehner und Cornelius Friedrich waren an der Haffküste und im Usedomer Winkel im Einsatz und Olaf Wenzel in den nördlichen Poldern des Peenestroms. Bernd Schirmeister kontrollierte das südliche Achterwasser von Loddin über Pudagla- Neppermin- Dewichow bis in den Lieper Winkel, dazu den Gothensee mit dem Thurbruch und den Schmollensee.
Dabei ging niemand leer aus. An vielen Stellen rasteten große Trupps, so dass das Zählen Spaß machte. Vor allem die Weißwangengans hat in den letzten Jahren eine positive Bestandsentwicklung genommen.
Geizig waren die Gänse mit Ringen. Trotz guter Bedingungen (geringe Entfernung, kein Gegenlicht) gelangen dieses Mal überhaupt keine Ablesungen halsbandmarkierter Vögel, was sonst immer der Fall war. Die Ringträger sterben allerdings nun nach und nach raus, weshalb die Gänse ja Nachwuchs haben. Der schlüpft aber ohne Ring.
Eine Gesamtübersicht der Daten ist aus der untenstehenden Tabelle zu entnehmen. Zudem sollen die beigefügten Fotos einen Eindruck von diesem schönen und erlebnisreichen Tag vermitteln.
Gänseart | 371004 Gothensee | 371005 Schmollensee | 371006 Achterwasser Süd | 371007 Achterwasser Nord | 371008 Peenestrom Mitte | 372009 Peenestrom Süd | 371010 Peenestrom Nord | 372040 Polder Waschow | 372041 Polder Klotzow | Summe |
Graugans | 94 | 22 | 234 | 185 | 288 | 64 | 168 | 4 | 33 | 1092 |
Blässgans | 1900 | - | 1588 | 360 | 855 | 425 | 1040 | - | - |
6168 |
Waldsaatgans | 2 | - | - | 20 | - | 1 | 1 | - | - |
24 |
Weißwangengans | 1400 | - | 2720 | 240 | 1400 | 1040 | 1465 | - | - |
8265 |
Summe | 3396 | 22 | 4542 | 805 | 2453 | 1530 | 2674 | 4 | 33 |
15549 |
Bericht und Fotos: Bernd Schirmeister