Wintervogelzählung des OAMV 2022

Bernd Schirmeister

1. Teilnahme/Zählstrecken der Usedomer NABU-Regionalgruppe

Kraniche / copyright: Dorothea Bellmer
Kraniche / copyright: Dorothea Bellmer

Die Gebietskulisse ist im Vergleich zum Vorjahr leider nicht unverändert geblieben, das Gebiet in der Feldmark an der Krumminer Wieck wird nicht mehr bearbeitet, da Familie Knapp weggezogen ist, Ersatz ließ sich nicht finden. Ein weiteres, langjährig bearbeitetes Gebiet auf dem Gnitz wurde ebenfalls vakant, da Wolfgang Nehls es aus Altersgründen nicht mehr fußläufig bearbeiten kann. Glücklicherweise fand sich hierfür Ersatz, Kathrin Räsch, unsere Vorsitzende der NABU-Regionalgruppe hat sich dieser Aufgabe angenommen, wofür wir sehr dankbar sind, so dass es eine kontinuierliche Fortführung der Datenreihe in diesem interessanten Gebiet gibt.

 

Insgesamt wurden nun noch fünf  Zählstrecken auf der Insel bearbeitet, die allesamt seit  2009 Bestandteil des von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft des Landes M-V initiierten Monitorings sind, um Genaueres über Vorkommen, Verteilung und Häufigkeit der  bei uns überwinternden Vögel zu erfahren. Damit sind wir nun im 13. Erfassungsjahr, so dass eine Menge Daten vorliegen, die jeweils unter recht unterschiedlichen Bedingungen erhoben wurden. Diese Datenreihen sind wertvolle Arbeitsergebnisse, sind doch im Vergleich zur gut  untersuchten Brutvogelfauna, Daten zur Verbreitung unserer Vögel im Winter bisher nicht systematisch erhoben worden. Durch die weitgehende Beibehaltung der Zählstrecken über nun schon dreizehn Jahre sind interessante Vergleiche möglich.

 

Die wichtigsten Lebensraumtypen Wald, Offenland und Siedlung werden durch die Zählungen abgedeckt. Insgesamt waren sieben Mitglieder und Freunde der NABU- Regionalgruppe beteiligt, denen an dieser Stelle für ihren langjährigen Einsatz Dank ausgesprochen werden soll:

  • Siedlung:     
    • Heringsdorf: K.- H. Loist, M. Kaster, z. T. B. Arnold, E. Schmurr, C. Friedrich
    • Bansin: B. Schirmeister
    • Streckenlänge bei zwei Strecken insgesamt 8,750 km;
  • Wald:           
    • zwischen Kölpinsee und Ückeritz: K. Räsch
    • Streckenlänge bei einer Strecke insgesamt 3,600 km;
  • Offenland:   
    • auf dem Gnitz: K. Räsch
    • im Thurbruch: B. Schirmeister
    • Streckenlänge bei zwei Strecken insgesamt 8,500 km.

 

Kornweihe, copyright: NABU/Dorothea Bellmer
Kornweihe, copyright: NABU/Dorothea Bellmer

2. Methodik

Nach der von der OAMV vorgegebenen Anleitung waren je eine Zählung in den Monaten Januar und Februar in etwa vierwöchigem Abstand durchzuführen. Geachtet werden sollte auf möglichst günstige meteorologische Bedingungen, z. B. wenig Wind, kein Niederschlag, vielleicht Sonnenschein, weil dadurch natürlich die Aktivität der Vögel und damit ihre Erfassbarkeit beeinflusst wird. Die zu wählende Route sollte 3 bis 5 km lang sein, dabei sollte möglichst nur einer der o. g. Lebensraumtypen erfasst werden. Das lässt sich in der Praxis nicht immer ganz genau einhalten, da es gerade auf Usedom noch abwechslungsreiche und eng miteinander verzahnte Lebens-räume gibt. Auf dieser Route waren alle Vögel zu erfassen, die eine Beziehung zum untersuchten Gebiet haben,

d. h. überfliegende Vögel wurden u. U. nicht mitgezählt, wenn es sich eindeutig um Zug handelte und nicht um kleinräumige Ortswechsel oder Nahrungsflüge. Das Zählgebiet sollte dabei kartenmäßig innerhalb eines Messtischblattes liegen, um spätere überregionale Auswertungen zu erleichtern.

3. Erfassungsbedingungen

Wie schon die vier vorangegangenen Winter begann auch dieser Winter im Dezember mit einer milden Periode, so dass man denken konnte, alles bleibt wie aus den letzten Jahren gewohnt. Allerdings gab es um die Weihnachtstage eine Kälteperiode mit Frost bis -12°C und auch Schnee bis ca. 5 cm Höhe. Dieses winterliche Intermezzo war jedoch nur von kurzer Dauer, zu Silvester gab es zweistellige Plusgrade und der Schnee war schnell weggeschmolzen.

 

Über den gesamten Januar blieb es bis auf einzelne Nächte mit leichtem Nachfrost wieder mild mit einstelligen Tages- und Nachttemperaturen, es herrschten vorwiegend westliche und nordwestliche Luftströmungen, regelmäßig trat Dunst oder Nebel auf, Regen gab es v. a. Anfang Februar regelmäßig. Oft erschwerte kräftiger Wind die Arbeiten im Gelände, jeder Zähler musste wirklich nach einem Tag mit jeweils einigermaßen passablen Bedingungen für die Erfassung suchen.

 

Die Wetterbedingungen hatten natürlich Auswirkungen auf die Vogelwelt sowohl  hinsichtlich des Artenspektrums, ihrer Menge und Verteilung als auch ihrer Aktivität. Bis zum Ende der ersten Februardekade waren alle Gebiete bearbeitet.

Halbinsel Gnitz, Krumminer Wieck / copyright: NABU Insel Usedom, Jana Freitag
Halbinsel Gnitz, Krumminer Wieck / copyright: NABU Insel Usedom, Jana Freitag

4. Ergebnisse

Insgesamt wurden 12.012 Vögel erfasst (2021: 10.658 Vögel, 2020: 16.877 Vögel, 2019: 10.919 Vögel)

Dabei wurden bei der ersten Zählung 4979 Vögel und bei der zweiten Zählung im Februar 7033 Vögel registriert. Dieses Ergebnis ordnet sich mittig recht gut zwischen die Vorjahre ein, aber nur in seiner Gesamtheit, denn bei vielen Arten zeigen sich deutliche Unterschiede.

 

Insgesamt wurden 59 Arten registriert (2018: 68, 2019: 62, 2020: 64, 2021: 69 Arten), ein recht niedriger Wert, trotz milder Witterung. Einige typische Akteure des Winters wurden nicht erfasst wie z. B. Habicht, Raufußbussard, Schwarzspecht oder nur eine Taubenart. Deren scheinbares Fehlen bedeutet jedoch nicht völlige Abwesenheit, oft sind es ja schnelle und kurze Zufallsbeobachtungen, abhängig von Witterung, Zeitpunkt, Aktionsradius oder Aktivität des Vogels. Wenn z. B. der Habicht eine halbe Stunde vorher gekröpft hat, dann sitzt er gut gedeckt im Erlenbruch und entzieht sich dem Beobachter. Viele der typischen Wintervogelarten wurden jedoch auch erneut beobachtet. Das Gros der Vögel wurde erneut von wenigen Arten bzw. Artengruppen gebildet, das sind Krähenvögel, Meisen und Finken, z. T. auch Drosselvögel und im Offenland Gänse.

 

Viele Arten kamen oft nur in kleinen Gruppen oder Einzelexemplaren zur Beobachtung, aber gerade diese auch zu entdecken, macht oft den Reiz einer solchen Zählung aus und spornt den Ehrgeiz des Beobachters an, nachdem man die üblichen Verdächtigen über die Jahre recht gut kennengelernt hat. Die große Anzahl von Arten zeigt aber auch die Vielgestaltigkeit der untersuchten Lebensräume sowie deren Habitatqualität. 

 

Vor allem im Offenland zeigen sich große Probleme für die Vögel durch die ausgeräumte Kulturlandschaft, die an vielen Stellen kaum noch Strukturen bietet, die den Vögeln Schutz, Deckung oder Nahrung bieten können. Wobei es dabei zu großen Unterschieden kommen kann und nicht jeder Zähler von jedem Beobachtungsgang beseelt nach Hause kommt. Manchmal ergeben sich jahrweise Unterschiede z. B. durch gefrorenen Boden, die Verfügbarkeit von Beerennahrung im Offenland, Störungen durch land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten, Störungen durch Prädatoren, wenn z. B. jagende Seeadler gerade die Gänsemassen vertrieben haben.

 

Der Wald erwies sich mit 15 Arten (2021: 13 Arten) erneut als artenärmster Lebensraum, was aber nicht verwundern darf, bietet er doch im Winter nicht so vielen Vogelarten geeignete Lebensbedingungen. In diesem Jahr fehlten zudem Bucheckern als wichtigste Nahrungsgrundlage, auch Beerenfrüchte waren knapp. Manche Arten wie z. B. Amseln oder Rotkehlchen wandern dann in den Siedlungsraum mit besseren Bedingungen (Gärten, Vogelfütterungen, Komposthaufen)

 

In den Siedlungen bot sich ein differenziertes Bild, es wurden 33 Arten (2021: 39 Arten) beobachtet, es gab aber keine Massenvorkommen. Auffällig waren die auf Grund des milden Wetters nur wenigen Futterstellen, so dass auch deshalb Konzentrationseffekte ausblieben. In den Buchenparks fehlten ähnlich wie im Wald Bucheckern als wichtige Nahrungsquelle, so dass z. B. Ringeltauben in größerem Maße abwandern mussten und Finkenschwärme oder Meisentrupps völlig fehlten.

 

Im Offenland wurden 52 Arten (2021: 61 Arten) gezählt, hier spielt natürlich die Habitatqualität eine entscheidende Rolle, ob ausgeräumte Agrarlandschaft oder strukturreiches Grünland ist für viele Arten der überlebenswichtige Unterschied.

 

Zur Darstellung weiterer Zusammenhänge sei hier ausdrücklich auf die ausführliche Auswertung der Wintervogelzählung 2016 verwiesen.

Rotkehlchen / copyright: NABU Insel Usedom, Jana Freitag
Rotkehlchen / copyright: NABU Insel Usedom, Jana Freitag

4.1 Wasservögel

Insgesamt kamen 13 Arten zur Beobachtung (2021: 19 Arten), die geringere Artenzahl resultiert aus dem Wegfall der Offenlandstrecke an der Krumminer Wieck, in die auch immer einige Wasservogelarten einflossen. Wasservögel sind allerdings nicht Zielarten des Programms, da es für diese Artengruppen andere Erfassungsprogramme gibt, z. B. im Rahmen der internationalen Mittwinterzählung oder des deutschlandweiten Wat- und Wasservogelzählprogramms. Manchmal halten sich aber auch auf den Wiesengräben oder flächig überschwemmtem Grünland  Graureiher, StockentenHöckerschwäne und andere Arten auf, die dann natürlich miterfasst werden. Die offene Agrarlandschaft wird zudem von Gänsen zur Rast und Nahrungssuche genutzt, v.a. auf der Zählstrecke im Thurbruch zeigten sich auffällige Unterschiede zwischen beiden Zählungen, wobei während der zweiten Zählung noch wesentlich mehr Gänse (insgesamt 7000 Ind.) im gesamten Thurbruch anwesend waren, nur eben nicht genau auf der Zählstrecke.

 

Gänse nutzen die Agrarlandschaft stark umtriebsmäßig. Dabei spielen die angebauten Kulturen eine wichtige Rolle, im Herbst werden v. a. auf abgeernteten Maisschlägen die energiereichen Körner gefressen. Saatgänse nutzen auch gern Wintergetreide. Maisfelder stehen jedoch oft nicht lange zur Verfügung, weil bald wieder landwirtschaftliche Arbeiten auf diesen Flächen erfolgen. Die Gänse wandern dann ab dem Spätherbst nach und nach ins Dauergrünland ein. Sie fressen dort die energiereichen Grasspitzen, die bei hohem Fraßdruck durch viele Gänse bald abgeweidet sind. Nun kommt es zu klein- und manchmal auch großräumigeren Verlagerungen der Gänseschwärme auf der Suche nach den ergiebigsten Nahrungsquellen. So kann es passieren, dass ein Wiesenkomplex, der tage- oder sogar wochenlang durch Gänse frequentiert war, plötzlich fast gänseleer ist. Wenn das Gras wieder nachgewachsen ist, tauchen sie auch dort plötzlich wieder in großer Zahl auf. Bei größerer Kälte oder Schneelagen wandern viele Gänse auch ins wintermildere Westeuropa ab. Anhand der mit farbigen Halsbändern markierten Gänse lassen sich diese Wanderwege und die Aufenthaltsorte der Gänse manchmal gut mit verfolgen.

 

Beim Kranich - insgesamt 46 Ind. -  (2021: 7, 2020: 23) kam es zu durchgängigen Überwinterungen, eine in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachtende landesweite Tendenz. Im atlantischer geprägten Westteil des Landes sind es sogar schon Trupps, die hunderte Kraniche umfassen können. Teilweise hatten die Brutpaare ihre angestammten Reviere gar nicht verlassen und konnten sogar noch mit ihren vorjährigen Jungen beobachtet werden.

 

Die in den Siedlungen beobachteten Möwen nutzen oft die Dächer der alten Villen an der Promenade zur Rast, so dass sich ein Bezug zum Zählgebiet ergibt,.

4.2 Greifvögel

Rotmilan / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln
Rotmilan / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln

Insgesamt kamen 7 Arten zur Beobachtung (2021: 8, 2020: 6). Die häufigste Art war der Mäusebussard mit 12 Ind. (2021: 26, 2020: 16) und ausgeglichener Verteilung bei beiden Zählungen. Kleinsäuger als Nahrung standen sowohl auf Wiesen- als auch Ackerflächen offenbar ausreichend zur Verfügung, trotzdem blieben auffällige Konzentrationen aus.

 

Seeadler sind insgesamt 14 beobachtet worden (2021: 16, 2020: 25). Teilweise kommt es immer wieder zu Konzentrationen v. a. von Jungadlern, die z.B. Gänse gemeinsam jagen. Ablesungen beringter Adler zeigen einen weiten Einzugsbereich der bei uns überwinternden Adler aus ganz M-V, den angrenzenden Bundesländern und auch aus den Ostseeanrainerstaaten. Die jahrweisen Unterschiede sind schwierig zu interpretieren, manchmal sind es kleinräumige Verlagerungen, die aus günstigen Nahrungsquellen resultieren können. Durch das milde Wetter sind wohl aber viele Adler östlich verblieben und gar nicht bis zu uns gekommen, auch bei der Mittwinterzählung wurden weniger Seeadler erfasst.

 

Regelmäßig im Winter in größerer Zahl tritt bei uns noch der Sperber auf (7 Ind.), der als fast reiner Vogeljäger besonders in Ortschaften unter den zahlreichen Kleinvögel erfolgreich Beute macht. Aber auch im Offenland trifft man diesen Schleichjäger an.

 

Seltener und nicht jährlich tritt die Kornweihe auf Usedom im Offenland auf, erst im Peenetal und auch an der Müritz gibt es regelmäßig besetzte Winterschlafplätze, an denen die Art auch in zweitstelliger Individuenzahl auftreten kann. Kornweihen jagen v. a. Kleinsäuger, aber auch Singvögel. Brutvorkommen gibt es in M-V nicht mehr, sie sind nur Durchzügler und Wintergast v. a. aus Skandinavien.

 

Der Rotmilan (4 Ind.) war früher fast reiner Zugvogel mit Winterquartieren in Spanien und Südfrankreich, heute gibt es z. B. in Sachsen in jedem Winter bereits kopfstarke Schlafplätze. Hier ist er noch selten im Winter, aber mit zunehmender Tendenz. Bei den im Februar beobachteten Vögeln kann es sich zumindest teilweise auch schon um frühe Heimkehrer handeln.

 

Mit Habicht und Raufußbussard fehlten zwei sonst eigentlich typische Winterarten.

 

Ein besonderes Erlebnis sind immer Sichtungen von Wanderfalken. Nach jahrelangen nur Durchzugs- und Winterbeobachtungen brütet die Art inzwischen auch wieder in M-V und erfreulicherweise nach 50-jähriger Abwesenheit sogar wieder auf der Insel Usedom. Im Thurbruch rasteten den ganzen Winter über zwei Ind., wohl ein Paar. Dabei war das Weibchen farbberingt mit einem grünen Ring, der auf die Herkunft aus einer Baumbrüterpopulation hinweist, eine Ablesung gelang leider nicht.

Wanderfalke / copyright: NABU/Marcus Bosch
Wanderfalke / copyright: NABU/Marcus Bosch

4.3 Tauben und Spechte

Buntspecht / copyright: NABU/Winfried Rusch
Buntspecht / copyright: NABU/Winfried Rusch

Ringeltauben kamen insgesamt 169 zur Beobachtung (2021: 269, 2020: 716). Eicheln und Bucheckern in den Wäldern und Parks fehlten als Nahrung, dadurch sind offenbar viele Ringeltauben abgewandert.

 

Erstmals fehlten bei der Zählung Türkentauben. Das letzte Vorkommen in Bansin scheint, der Tendenz zu großräumiger Abnahme folgend, nun auch erloschen zu sein. Auch Hohltauben wurde keine beobachtet.

 

Häufigster Specht war der Buntspecht mit wieder 33 Ind. (2021: 33, 2020: 31). Die Unterschiede zwischen beiden Zählungen (14/19) können, ähnlich wie im vorigen Jahr, erfassungsbedingt sein, denn man darf nicht vergessen, dass solche Zählungen trotz guter Optik und  scharfer Augen und Ohren nur kurze Momentaufnahmen darstellen. Zumindest auf der Zählstrecke Bansin hat sich gezeigt, dass die Spechtreviere auch im Winter zuverlässig besetzt sind. Im Februar steigt allerdings die Aktivität mit verstärkter Balz und dem arttypischen Trommeln der Vögel, so dass sie dann wieder besser zu erfassen sind, was sich auch im Zahlenverhältnis 14 zu 19 Buntspechten zeigt. Zudem sind die Zahlen der auf den Zählstrecken erfassten Buntspechte seit Jahren stabil, was ebenfalls für konstante Reviere spricht.

 

Das erneute Fehlen des Schwarzspechtes ist wohl erfassungsbedingt, für Mittel- und Kleinspecht dagegen scheinen die Zählstrecken keinen geeigneten Lebensraum zu bieten.

 

Erfreulich ist der Hörnachweis eines Grünspechtes in Bansin. Die Art hat dort ein bereits mehrere Jahre besetztes Revier und zeigt in den letzten Jahren landesweit einen positiven Bestandstrend.

4.4 Krähenvögel

Krähenvögel wurden in allen untersuchten Lebensräumen angetroffen, was für die hohe ökologische Anpassungsfähigkeit dieser Artengruppe spricht. Erneut wurden sechs verschiedene Arten gesehen.

 

Die Art mit der höchsten Stetigkeit und weitesten Verbreitung ist die Nebelkrähe, die als Nahrungsopportunist viele verschiedene Lebensräume und Nahrungsquellen zu nutzen weiß, vom Spülsaum am Strand, zum Komposthaufen im Ort über Äcker und Wiesen in der Agrarlandschaft bis hin zum überfahrenen Wild am Straßenrand.

 

Saatkrähen kommen auf Usedom nur noch als Wintergäste vor. Die ehemalige große Kolonie im Wolgaster Stadtgebiet ist erloschen, auch Umsiedlungen auf stadtnahe Inselbereiche blieben nicht erfolgreich. Die nächste beständige Kolonie befindet sich in Anklam.

 

Dohlen sind sehr seltene Brutvögel, wichtigste Brutplätze in der Region sind die Reste der Karniner Hubbrücke, wo es eine Kolonie von ca. 15 Brutpaaren gibt, und die Kirche in Lassan mit 10- 12 Brutpaaren. Ansonsten nur noch wenige Einzelbruten, z. B. in Schornsteinen in Wolgast, die im Winter Verstärkung v. a. aus östlichen Regionen erfahren.

 

Die hohen Zahlen in Bansin resultieren aus dem wieder gut besetzten Schlafplatz im Ort. Dieser Schlafplatz zeigte über den Winter erneut eine hohe Dynamik. So nahm der Anteil der Nebelkrähe am Schlafplatzbestand stark zu, die vielen Nebelkrähen verteilen sich tagsüber zur Nahrungssuche über einen großen Einzugsbereich auf der Insel (z. B. Thurbruch, Wiesen um Pudagla, Neppermin und Balm), im Ort verbleiben nur wenige. Der Schlafplatzbestand an Saatkrähen und Dohlen baute sich auf Grund der milden Witterung erst spät im November auf. Es handelt sich um östlich beheimatete Wintergäste. In der Agrarlandschaft schwankten die Bestände beider Arten recht stark, was am Nahrungsangebot gelegen haben kann. Allerdings erstrecken sich die Nahrungseinzugsgebiete bis in den Usedomer Winkel, wie aus Sichtbeobachtungen des morgendlichen Abfluges deutlich wurde, so dass viel Auswahl für die Vögel besteht. Es gibt allerdings auf der Insel noch weitere Schlafplätze von Krähenvögeln, so in Kölpinsee und Mölschow. Ob und in welchem Ausmaß  zwischen diesen Plätzen Austauschbewegungen stattfinden, ist unbekannt.

Saatkrähe / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln
Saatkrähe / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln

4.5 Singvögel

Zu dieser Vogelgruppe gehören auch die vorstehend gesondert besprochenen Krähenvögel. Sie sind die artenreichste Gruppe und stellen mit 27 Arten (2020 und 2021: je 30 Arten) fast die Hälfte aller registrierten Arten.

 

Manche Arten werden oft nur in Einzelexemplaren registriert und fehlen dann jahrweise, z.B. gab es in diesem Winter keine Seidenschwänze bei uns, auch Birkenzeisige und Berghänflinge fehlten in der winterlichen Vogelwelt, ebenso gelegentliche Überwinterer wie Bluthänflinge. Erstaunlich ist das erneute völlige Fehlen der Grauammer, eventuell ein Indiz für die doch an viele Stellen struktur- und nahrungsarme Offenlandschaft.

 

Drosseln, Meisen und Finken bildeten die zahlenmäßig stärksten Gruppen. Einige Beispiele sollen das erläutern:

Amseln wurden 133 (102/31) gezählt, (2021: 191, 2020: 112), ein mittlerer Wert. Die auffälligen Unterschiede der beiden Zählungen resultieren einmal aus Einwanderung aus dem Wald in die Ortschaften, auf Grund des dort deutlich besseren Nahrungsangebotes (z. B. Bansin 36 zu 20 Amseln), aber auch aus Abwanderungen aus dem Offenland auf Grund der dort weitgehend abgefressenen Beerensträucher (z. B. Gnitz 44 zu 2 Amseln).

 

Das gleiche Phänomen zeigte sich bei der Wacholderdrossel, 527 zu 0 im Thurbruch und 52 zu 0 auf dem Gnitz beweisen, dass sowohl die Beerenvorräte erschöpft waren, aber auch auf den Wiesen nichts mehr zu picken war.

Kohlmeise / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln
Kohlmeise / copyright: Kathy Büscher, NABU Rinteln

Rotkehlchen waren es insgesamt 39 (2019: 34, 2020: 49, 2021: 48), die ähnlich hohe Zahl  spricht für viele Überwinterer, v.a. in den Ortschaften waren Rotkehlchen auf den Zählstrecken allgegenwärtig. Ob die Abnahme von 31 auf 8 zur zweiten Zählung methodisch bedingt ist, oder eine reale Abnahme auf Grund von Nahrungsmangel ursächlich ist, muss offen bleiben.

 

Die Kohlmeise ist neben Amsel und Nebelkrähe die Art mit der höchsten Stetigkeit, kein Zähler kam ohne Kohlmeisen nach Hause. Insgesamt wurden 535 (266/269) Kohlmeisen gezählt (2021: 649, 2020: 779), deutlich weniger als in den Vorjahren, was wohl nahrungsbedingt ist (Fehlen von Bucheckern, weniger Futterstellen). Allerdings führen mehr Futterstellen nicht unbedingt zu mehr Kohlmeisen, wie zwei gut bestückte Futterhäuser an der Grundschule in Heringsdorf zeigten. Direkt am Waldrand gelegen, wurden sie von Kleinvögeln so gut wie nicht genutzt und blieben verwaist. Andererseits zeigt die annähernde Gleichverteilung der Kohlmeisen während beider Zählungen sowohl in der Gesamtzahl als auch auf den einzelnen Zählstrecken, dass die verbliebenen Kohlmeisen mit den vorgefundenen Bedingungen offenbar gut zurecht kamen.

 

Blaumeisen wurden 106 (43/63) gezählt, (2019: 324, 2020: 360, 2021: 203). Das sind doch auffällig wenige auf diesen genormten Strecken, was für einen deutlich geringeren Winterbestand in diesem Jahr spricht.

 

Zaunkönige kamen insgesamt 32 zur Beobachtung (2019: 28, 2020: 32 u. 2021: 37), das sind interessant konstante Winterbestände dieses kleinen Vogels. Dabei beherbergt unsere Region sowohl nordische Überwinterer als auch angestammte Reviervögel.

  

Haussperlinge wurden 625 erfasst (2020: 600, 2021: 609), die Art ist ja ausschließlich auf Ortschaften und deren Randlagen beschränkt. Im Laufe der Zeit lernt man die bevorzugten Aufenthaltsorte der Vögel gut kennen. Oft sind das Bereiche mit dichten Hecken, die Schutz bieten und auch zum Schlafen genutzt werden. Die fast gleichen Zahlen aus den letzten Jahren verblüffen schon ein wenig. Dieselben Verdächtigen können es kaum in jedem Jahr sein, denn im Winter leben die Ortssperber fast ausschließlich von Haussperlingen. Katzen- und Verkehrsopfer sowie die natürliche Mortalität tun ein Übriges, trotzdem scheint die hiesige Sperlingspopulation gut in der Lage zu sein, diese Verluste durch entsprechenden Bruterfolg wieder auszugleichen. Während diese Tendenz in Heringsdorf mit 162 zu 167 Haussperlingen bestätigt wurde, gab es auf der Zählstrecke in Bansin auffällige Abweichungen zwischen den Zählungen. Mit 147 zu 83 Haussperlingen halbierte sich der Bestand fast, die Ursachen sind völlig unklar, zumal auch in benachbarten Ortsteilen nur wenige Haussperlinge feststellen ließen,

 

Erschreckend ist die weitere Abnahme des Feldsperlings (2021: 30) mit nur 12 Ind. (4/8). Eine sehr geringe Zahl, in der offenen Agrarlandschaft trifft man kaum auf Feldsperlinge. Kein gutes Indiz für die Qualität der Landschaft.  Allenfalls an Viehhaltungen oder Futterstellen sind Feldsperlinge im Winter anzutreffen, brutmäßig unterliegen sie offenbar der Konkurrenz mit dem Haussperling, wie eigene Beobachtungen an einer Nistkastenpopulation in Bansin zeigten.

 

Grünfinken wurden 168 (92/76) beobachtet (2020: 322, 2021: 138), ein mittlerer Wert. Die Art tritt konzentrierter in Ortschaften auf, wo sie an Futterstellen ein häufiger Gast ist, aber auch im Offenland trifft man die Art in geringerer Zahl an, wo sie als Körnerfresser Nahrung findet. Ob die jahrweise stark schwankenden Zahlen im deutschlandweiten Grünfinkensterben zu suchen sind, muss, wie bei der Blaumeise, offen bleiben.

 

Erlenzeisige wurden 478 (131/347) registriert (2020: 1048, 2021: 96), damit wieder deutlich mehr als im Vorjahr. Es zeigte sich das typische Bild: wo die Zählstrecke an Erlenbrüche oder Erlenstreifen angrenzte, gab es auch Erlenzeisige, die geschickt im Geäst herumturnten, um an die in den harten Nüsschen befindlichen Samen der Bäume zu gelangen. Dabei ist die deutliche Zunahme bei der zweiten Zählung wohl eher auf umherwandernde Trupps zurückzuführen, als auf früh begonnenen Heimzug.

 

Goldammern wurden insgesamt 105 (61/44) gesehen (2020: 15, 2021: 24), eine hohe Zahl, die allerdings einzig aus einer großen Ansammlung auf dem Gnitz resultiert. Goldammern schließen sich im Winter oft zu Trupps zusammen, um im Offenland in Ruderalvegetation oder an Viehhaltungen Sämereien zu fressen. Deshalb ist bei der Interpretation der Daten Vorsicht geboten, denn die Vögel nutzen die Agrarlandschaft oft großräumiger, als wir uns vorstellen können. Auffällig sind allerdings die seit Jahren sehr geringen Winterbestände im Thurbruch.

5. Besonderheiten

Keine, möchte man sagen, wenn man sich die Tabelle mit den beobachteten Arten anschaut. Eigentlich nur die üblichen Verdächtigen, aber auch das ist ja erstmal eine Aussage. Naja, ein bisschen was findet sich doch, wenn man etwas länger sucht.

 

Kiebitz (21)

Mitte Januar zur Mittwinterzählung kamen Kiebitze in mehreren Gebieten auf der Insel zur Beobachtung, ein Trupp konnte auf der Zählstrecke im Thurbruch gesehen werden. Die milden Winter verstärken Überwinterungstendenzen bei dieser Art.

 

Großer Brachvogel (1)

Am Peenemünder Haken ist die Art ganzjährig in meist dreistelligen Zahlen anzutreffen, auch am nördlichen Peenstrom wurden zur Mittwinterzählung Große Brachvögel gesehen. Was nun der eine einsam im Thurbruch wollte, muss offen bleiben.

 

Rotdrossel (7)

Eigentlich ein Zugvogel aus Skandinavien, der den Winter in großen Schwärmen am Mittelmeer verbringt. Dieser Trupp hier hatte sich den vielen Amseln und Wacholderdrosseln auf dem Gnitz angeschlossen, um die dortigen Beerensträucher zu plündern.

 

Wiesenpieper (3, 2021: 71)

In milden Wintern verbleiben in den weitläufigen Niedermoorwiesen des Thurbruchs oft einzelne Wiesenpieper, dass es auch deutlich mehr sein können, hatte das Vorjahr gezeigt.

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