Die erste Exkursion dieses Jahres führte uns am 19.03.2022 durchs KOH, das Karlsburg-Oldenburger Holz, einem Naturschutzgebiet, das Bestandteil des FFH-Gebietes Ostvorpommersche Waldlandschaft ist.
Der Zeitpunkt war günstig gewählt. Noch behinderte keine dichte Belaubung den ungestörten Einblick in den Wald. Und trotz der frühen Jahreszeit und sehr verhaltener Temperaturen regte sich überall schon reichlich Leben, so dass es viel zu sehen und zu hören gab.
Am Treffpunkt am Ortsausgang von Oldenburg wurden wir gleich von drei Experten des NABU-Greifswald begrüßt: Dr. Sabrina Rilke, Botanikerin und aktiv in der NABU-Gruppe Greifswald, Axel Buhl, dem Betreuer des Schutzgebietes und Wolfram Otto, der sich besonders um den Schutz des Bibers kümmert. Auch Jonas Kotlarz, der Vorsitzende der Greifswalder NABU-Gruppe, begleitete uns.
Die fundierten Einführungsvorträge machten neugierig auf die Schönheiten des NSG, zeigten aber auch bereits mannigfaltige Probleme auf, so vor allem Verstöße gegen die seit 1971 existierenden Behandlungsrichtlinien und die zahlreichen Ausnahmen. Dazu gehören Holzeinschlag auf Privatwaldflächen im NSG oder die Zerstörung von Biberdämmen.
Deshalb hat der NABU Landesverband M-V bisher 250 ha des KOH käuflich erworben, um den Wald naturschutzgerecht zu entwickeln, kommerzieller Nutzung zu entziehen und eine bessere Handhabe gegen Verstöße zu haben. Eigentümerin dieser Flächen ist heute die NABU-Stiftung Naturerbe Mecklenburg Vorpommern.
Zum Teil wird auf den Nadelwaldflächen, insbesondere Fichten, aktiver Waldumbau betrieben. In den nicht standortgerechten Fichtenbeständen waren die Sturmschäden des vergangenen Winters nicht zu übersehen. Überall lagen kreuz und quer entwurzelte Bäume in großer Zahl.
Auf vielen Flächen ist aber nun Wildnis erlaubt, Schutz durch Nichtnutzung, in Deutschland ein ungewohnter Anblick, stehendes und liegendes Totholz, alte Baumriesen, natürliche Waldverjüngung, wenig Zerschneidung durch Wege. Das fördert aktiv die Entwicklung der Biodiversität, egal ob Bäume, Blütenpflanzen, Moose, Pilze, Insekten, Vögel Amphibien oder Säugetiere.
Davon konnten wir uns während der gut vierstündigen Wanderung ein umfängliches Bild machen. Zuerst natürlich die Bäume. Die beeindruckenden Rotbuchen und Eichen sind Reste eines ehemaligen mittelalterlichen Hudewaldes. Hudewald bedeutet Hütewald. In dieser Zeit haben die Bewohner der umliegenden Dörfer ihr Vieh, insbesondere Schweine, zur Mast in den Wald getrieben, um Kräuter, aber v. a. Eicheln und Bucheckern zu nutzen. Durch den Verbiss war der Wald licht und offen, weil wenig Jungwuchs hochkam. Die bestehenden Bäume waren tief beastet und entwickelten durch den zur Verfügung stehenden Platz gewaltige Kronen.
Links und rechts des Weges gab es viel zu entdecken. Wurden wir schon am Waldrand von zwei singenden Heidelerchen sowie einem Kolkrabenpaar begrüßt, ließen sich im Wald überall Kleiber, Zaunkönige Kohlmeisen, Tannenmeisen und Buchfinken und aus den restlichen Fichtenbeständen auch Sommergoldhähnchen hören. Ein adulter Seeadler des ansässigen Revierpaares kreiste kurz über uns. Die Schreiadler als große Kostbarkeit des KOH sind noch im Winterquartier, aber der weitestgehend ungestörte Wald mit den umgebenden Wiesen als Nahrungsflächen entspricht genau seinen Habitatansprüchen. Er braucht allerdings während der Brutzeit absolute Ruhe im Revier. Holzeinschlag im Vorjahr verhinderte leider den Bruterfolg.
Die Kraniche waren dagegen gar nicht weggezogen. Zwei Paare brüten in den feuchten Erlenbrüchen des NSG.
Den Schwarzspecht sahen wir nicht, nur zwei seiner Höhlen, eine davon frisch gebaut. Als Nachmieter kommen u. a. Hohltauben und verschiedene Fledermausarten im KOH vor.
Plötzlich kreiste über dem Wald und unseren Köpfen ein adulter Seeadler. Kein so ungewohnter Anblick in unserer heimischen Natur, für den allerdings mancher auswärtige Naturliebhaber im Urlaub weite Strecken zu uns fährt, um sich den Anblick zu gönnen. Wir genossen die Beobachtung auch, zumal es sich um das Männchen des ansässigen Revierpaares handelte, das im KOH seinen Horst hat, wo das Weibchen wohl jetzt schon auf dem Gelege sitzt und brütet.
Wasser ist Leben. Ein besonders interessanter Abschnitt der Wanderung verlief entlang des Swinowbaches, manchmal träge dahinfließend, manchmal munter plätschernd. Umgeben von Altholzinseln, feuchten Erlenbrüchen, teils feuchten Wiesen gibt es hier Lebensraum für Bekassine, Waldwasserläufer, Eisvogel, Gras- und Moorfrosch sowie Erdkröte. Besonders sind auch die Bachneunaugen im Swinowbach, keine Fische, sondern zur Gattung der Rundmäuler gehörend. Sie brauchen saubere Fließgewässer zum Laichen, in denen sich die Larven, Querder genannt, entwickeln und heranwachsen können.
Zwar kein besonderer Gast mehr, da inzwischen dank guten Schutzes flächendeckend im Land verbreitet, aber hier besonders auffällig, ist der Biber. Wir sahen mehrere Dämme und eine Biberburg. Wolfram Otto konnte uns manch interessante Einzelheit aus dem Leben dieses großen Nagetiers erzählen, zeigte uns Spuren seiner Anwesenheit, die wir sonst leicht übersehen hätten, machte uns aber auch auf Probleme aufmerksam, die seine Lebensweise mit sich bringt. Das Fällen stattlicher und vieler Bäume, der Anstau der Gewässer passt nicht jedem Landwirt oder Waldbesitzer, so dass es zu illegalen Aktionen wie Zerstörung von Dämmen und sogar Fängen in Schlagfallen kam.
Unterwegs mussten mehrere Brücken über die Swinow und den Nepziner Bach überquert werden. Das waren teils wacklige Konstruktionen, teil fast romantisch wirkende alte Bauwerke mit schönen Steineinfassungen.
Immer wieder begeistert waren wir von den botanischen Kenntnissen von Sabrina Rilke. An mancher interessanten Pflanze wäre man achtlos vorbeimarschiert, aber nicht mit Sabrina. Stopp! Lupen raus! Wir hatten gar keine mit, aber Sabrina war natürlich vorbereitet und hatte vor der Wanderung welche verteilt, die sich jetzt als sehr nützlich erwiesen. Der Name der jeweiligen Pflanze war schnell gesagt, aber nun ging es ins Detail. Blütenblatt, Kelchblatt, Staubgefäße, Stempel, Fruchtknoten- alles mal gehabt in Heimatkunde- und Biologieunterricht- wurde plötzlich vor unseren Augen wieder lebendig und anschaulich erklärt. Dazu gab es kulinarische Hinweise zur Essbarkeit und Verwendung vieler Kräuter.
So beseelt bekamen wir nun auch Hunger und kehrten nach einem weiteren Wegabschnitt durch den abwechslungsreichen Wald in der Spechtschmiede ein. Diese erwies sich als Rasthütte mit einem aus dem Tierreich entlehnten Namen. Während der Buntspecht für die Nahrungsaufnahme die abgepflückten Zapfen in Rindenspalten einklemmt und mit dem kräftigen Meißelschnabel schmiedet, um an die leckeren Samen zu kommen, packten wir einfach den mitgebrachten Proviant aus und ließen es uns ebenfalls schmecken.
Die etwas längere Pause bot noch einmal Zeit für interessante Gespräche mit den Greifswalder NABUs, in denen viele Aspekte der Naturschutzarbeit der Gruppe im KOH diskutiert wurden , aber immer wieder auch Problemfelder benannt wurden.
Die Konzentration ließ schon langsam nach, als Sabrinas klare Stimme zum Versammeln rief. Rückmarsch? - Nein, Zusammenfassung! Und so wurden im Schnelldurchlauf nochmal viele der unterwegs gesehen Pflanzen und Tiere benannt und beschrieben. Gute Idee.
Nun war es aber doch soweit, Danksagung für diese gelungene Exkursion und herzliche Verabschiedung. Nach gut sieben Kilometern Rundkurs durch den Wald erreichten wir wieder den Parkplatz in Oldenburg.
Wir waren beeindruckt von diesem Wald und seinen Bewohnern, genauso aber von diesem Engagement in einem Naturschutzprojekt, das der Kreisverband Greifswald ehrenamtlich bewältigt, wissenschaftlich begleitet und das inzwischen über Jahrzehnte. Im Wald laufen Wachstum, Veränderungen und Entwicklung nur langsam ab. Aber dafür braucht es auch einen langen Atem, engagierte Leute, die langfristig tätig sind. Konzepte erarbeiten und ständig aktualisieren, Anträge stellen, Vegetationsaufnahmen, Monitoring der verschiedensten Arten, vielfältige praktische Arbeit im Wald, Biotoppflege, Öffentlichkeitsarbeit, Zusammenarbeit mit Behörden und und und- und das über Jahre, immer wieder neu motiviert, mit hohem Zeitaufwand. Ein solcher kontinuierlicher Einsatz für ein NSG nötigt Respekt ab.
Inzwischen gibt es sogar ein Buch mit dem Titel „Zauberhaftes Oldenburger Holz“, herausgebracht von den Greifswalder NABUs um Sabrina Rilke - ganz zauberhaft zu lesen und zu schauen. Dabei ist es egal, ob man erst das wunderbare Buch zur Hand nimmt und sich dann in den Wald begibt oder das im Wald Gesehene anschließend mit Hilfe des Buches anschaulich vertieft. Dabei wird man schnell feststellen, was man draußen alles übersehen hat. Aber das kann ja dem nächsten Besuch vorbehalten bleiben.
Bericht: Bernd Schirmeister
Fotos: Bernd Schirmeister, Marisa Kaster, Jana Freitag