Die Coronapandemie hatte seit März auch unser gemeinsames Vereinsleben weitgehend lahm gelegt. Wobei, Aktivitäten gab es reichlich, denn Artenschutzprojekte, Monitoringarbeiten, Schutzgebietsbetreuungen durch unsere Mitglieder liefen natürlich weiter. Nur eben keine gemeinsamen Aktivitäten. Nun die erste Exkursion.
Danke, liebe Kathrin, dass du es ermöglicht hast und wir uns nach langer Pause vor der Sommerpause noch zu einer gemeinsamen Exkursion treffen konnten.
Es ging in den Inselnorden, in ein Gebiet zwischen Karlshagen und Peenemünde, das für seine reichhaltigen Orchideenvorkommen bekannt ist. 13 Mitglieder unserer Gruppe trafen sich um 17.00 Uhr am Schullandheim Peenemünde. Dort wurden wir schon von Rainer Adam vom BUND erwartet, der in dem Gebiet als Naturschutzwart bereits jahrzehntelang aktiv ist und sich u.a. dem Schutz der dort artenreich vorkommenden Orchideen verschrieben hat. Nach herzlicher Begrüßung - unter Einhaltung der Abstandsregeln - führte uns Rainer wort- und kenntnisreich in das Thema ein. Vielen ist gar nicht so bekannt, dass Orchideen keinesfalls nur auf die Tropen beschränkt sind, wenngleich sie dort ihre große Arten-, Farben- und Blütenpracht entfalten.
Aber auch in Deutschland gibt es eine große Vielfalt an wild wachsenden Orchideen, deren bekannteste Vertreter die Knabenkräuter sind. Viele Arten sind bestandsbedroht, stellen besondere Standortansprüche, sind auf Pflegemaßnahmen durch den Menschen angewiesen. Deshalb findet sich manche Art selten in der Natur und häufig auf der Roten Liste, woraus sich unsere besondere Verantwortung für Schutz und Erhaltung der Vorkommen ergibt.
Nach der Einführung ging es bei strahlendem Sonnenschein hinaus ins Gelände. Erster Anlaufpunkt war eine Wiese am Deich des Peenestroms zwischen Karlshagen und Peenemünde, Sackort genannt, von etwa 2, 5 ha Größe. Dort blüht um diese Zeit normalerweise alles leuchtend und flächig lila von den Blüten der Orchideen, hier Ruthes Knabenkraut, einer in M-V extrem seltenen Art. In diesem Jahr waren es nur etwa 120 Stück. Das lag einmal an der Trockenheit. Zu den speziellen Standortsansprüchen zählt bei vielen Arten auch ausreichend Feuchtigkeit. Bleibt Wasser aus, blühen sie oft gar nicht. Die austreibenden Pflanzen sind dann oft kleinwüchsig und auch kleinblütig. Zudem hatten Wildschweine auf der Fläche gewühlt und bevorzugt die schmackhaften Wurzelrhizome ausgegraben. Wir hatten Mühe, überhaupt noch ein paar blühende Orchideen zu entdecken, denn auch die Schafe vom benachbarten Peenestromdeich hatten sich eine Lücke im Schutzzaun geschaffen und vorfristig mit ihrer Weidetätigkeit begonnen, die eigentlich erst im August geplant war.
Pflege durch Nutzung, früher notwendig, heute leider eine eher selten gewordene Form praktischen Naturschutzes. Weitere interessante Pflanzen auf dieser Wiese sind der Sumpfsitter, ebenfalls eine Orchideenart, dazu Natternzunge, Stranddreizack und Kuckuckslichtnelke. Die musikalische Umrahmung des herrlichen sonnigen Abends lieferten dann u. a. Drossel- und Teichrohrsänger, Dorngrasmücke und Schwarzkehlchen. Auf einer benachbarten kleinen Wiese ließ sich noch das Breitblättrige Knabenkraut bewundern, eine im Land noch häufigere Orchideenart.
Nun ging es weiter in den Nordhafen. Eingekreist von mehr oder weniger gelungener Bebauung mit einer Ferienanlage, Gebäuden und maritimem Flair des umfangreich ausgebauten Jachthafens liegt dort eine ehemalige Slipanlage, die früher zum Hinein- und Hinaushieven der Segelboote diente. Diese Anlage ist dicht bewachsen- mit Hunderten von Orchideen, wieder Ruthes Knabenkraut.
Knapp 800 Exemplare zählte Rainer in diesem Jahr. Der Anblick der teilweise in dichten Gruppen stehenden blühenden Knabenkräuter begeisterte alle. Auffällig war der Birkenaufwuchs, dem aber im August mit einer Pflegemahd zuleibe gerückt wird. Auch das aufkommende Schilf lässt sich durch eine Sommermahd gut schwächen und zurückdrängen. Denn diese konkurrenzstarken Pflanzen würden bald die Oberhand gewinnen und sich gegenüber den Orchideen durchsetzen. Interessanterweise wird das Mähgut auf die Wiese nach Sackort verbracht, um auf diese Weise für die Vermehrung des dortigen Bestandes von Ruthes Knabenkraut zu sorgen, in dem mit dem Mähgut Samen ausgebracht werden.
Letzte Station der Exkursion war eine nahegelegene Wiese am Peenestrom unmittelbar hinter dem Nordhafen, ein Standort mit recht bewegtem Bodenrelief. Zuerst erhöht, eher mit Ruderalvegetation und Trockenrasencharakter und Pflanzen wie Strandroggen, Sandsegge und Bärenschote. Aber auch dort wuchsen schon Orchideen, nämlich das Große Zweiblatt und die Stendelwurz, auch Breitblättriger Sitter genannt. Von ersterer hatte Rainer sieben Exemplare gezählt. In Richtung Peenestrom ging es leicht bergab und wurde deutlich feuchter. Hier blühten gleich mehrere Arten: Ruthes Knabenkraut (120 Exemplare), Fleischfarbenes und Breitblättriges Knabenkraut sowie Sumpfsitter. Im August wird mit Schafen beweidet, um Verbuschung zu verhindern.
Das ist hier auch dringend notwendig, denn überall sprossen Jungpflanzen der Spätblühenden Traubenkirsche aus dem Boden, die später alles überwuchern würde. In den Kiefernwäldern des Inselnordens sieht man anstelle des früher lichten Waldes jetzt dichten, teil geschlossenen Unterwuchs aus Traubenkirschen, der durch die Beschattung ein völlig anderes Kleinklima schafft und jeglichen Bewuchs durch andere Vegetation verhindert. Auch Grillen ging, nämlich Feldgrillen, deren lautes Zirpen den akustischen Hintergrund bildete. Eindrucksvoll waren die hier wachsenden einzelnen Kiefern, durch den vorherrschenden Westwind zu Windflüchtern geformt. Zum Schluss genossen alle die Ruhe sowie die Aussicht über den Peenestrom zum Festland mit den Orten Kröslin und Freest bis hin zur Halbinsel Struck mit seinem alten Hudewald und hinüber zur Insel Rügen, wo man neben der beeindruckenden Steilküste des Zickerschen Höfts sogar den Turm des Jagdschlosses Granitz erkennen konnte.
Bericht und Fotos: Bernd Schirmeister