Die Schellenten am Wolgastsee

- eine Fortsetzungsgeschichte -

Schellenten, Wolgastsee, Insel Usedom
Schellentenweibchen mit Jungvögeln / Foto: NABU Insel Usedom

Ende Januar hatten einige Mitglieder und Freunde der Usedomer NABU- Regionalgruppe in einem Feuchtgebiet östlich des Wolgastsees insgesamt drei Nistkästen für die Schellente angebracht. Es ist gegenwärtig der einzige Brutplatz auf der Insel. Bereits während der Arbeiten konnten wir die ersten Schellenten auf dem versumpften See entdecken, die auf Grund des milden Winters bereits ihre Reviere bezogen hatten.

 

Nun war es spannend zu erfahren, wie sich der Brutbestand der Schellenten in diesem Jahr entwickelt hatte und ob die Kästen angenommen worden sind. Dazu wurden ab Ende April und verstärkt im Mai mehrere Begehungen durchgeführt. Es ist vor allem während der Brutzeit gar nicht so einfach, die auf dem See lebenden Wasservögel zu entdecken, da sie sehr auf Schutz und Deckung bedacht sind, was ihnen die dichten Wasserpflanzen und die ausgedehnten Weidendickichte auch bieten. Aber die weithin weiß leuchtenden Männchen der Schellenten waren gut zu beobachten. Fünf Paare waren es, die eifrig balzten. Das ließ hoffen.

Schellenten, Wolgastsee, Insel Usedom
Schellente / Foro: NABU Insel Usedom

In den Vorjahren waren ab Anfang Mai die ersten Weibchen mit ihren Jungen zu sehen. Das war auch in diesem Jahr so, eine Familie mit gleich acht kleinen Küken. Im Laufe des Monats kamen weitere vier Familien hinzu, so dass alle Weibchen erfolgreich gebrütet hatten. Die Familienverbände umfassten 3, 4, 5, 7 und 8 Jungvögel. Eine Kontrolle der Kästen mit einem Selfiestick ergab, dass in zwei Kästen keine Brut stattgefunden hatte. Im dritten Kasten war ein Nest mit fünf Eiern- aber von der Bachstelze, na immerhin. Dieses Ergebnis zeigt, dass es offenbar in dem Gebiet doch mehr für die Schellenten nutzbare Naturhöhlen gibt, als man gemeinhin annimmt. Trotzdem war die Aktion nicht vergeblich, stehen die Chancen gut, dass es in den nächsten Jahren zur Besiedlung der Kästen kommen kann. Geduld ist manchmal erforderlich. Das haben wir auch schon bei Weißstörchen oder Fledermäusen erfahren, die die angebrachten Nisthilfen manchmal erst nach Jahren angenommen haben.

Erstaunlich ist die zeitlich stark gestaffelte Brutzeit der Schellenten über gut drei Wochen, so dass die Küken sehr unterschiedlich entwickelt sind. Als Nestflüchter springen sie auch aus mehreren Metern Höhle gleich nach dem Schlupf aus der Höhle. Verletzungen sind dabei äußerst selten, da die kleinen Federbällchen extreme Leichtgewichte sind. Sofort wird das schützende Wasser aufgesucht, sofort sind die Küken auch selbstständig und suchen tauchend  ihr Futter. Die Entenmutter ist eher nur aufsichtspflichtig. Was aber auch notwendig ist, denn Gefahren lauern allerwärts. Kolkraben und Nebelkrähen suchen regelmäßig das Gewässer auf, Greifvögel wie Mäusebussard, Rotmilan und vor allem die Rohrweihe sind präsent und finden in einem unaufmerksamen Entenschoof leichte Beute. 

Schellenten, Wolgastsee, Insel Usedom
Wolgastsee / Foto: NABU Insel Usedom

Überraschend ist auch das starke Territorialverhalten der Schellentenmütter. Eigentlich sollte man den Nachbarn kennen, aber wehe, man kommt sich zu nahe. Zuerst wird mit Drohgebärden der Gebietsanspruch klargestellt, in dem sich die Ente flach aufs Wasser drückt und sich den Eindringlingen nähert. Hilft das nicht, fliegt sie entweder plötzlich auf die fremde Familie zu und verscheucht sie oder die Ente taucht ab, um mitten zwischen den anderen Schellenten aufzutauchen. Dabei kann es auch passieren, dass sie mit dem Schnabel ein fremdes Küken packt und kräftig hin und her schüttelt. Solche Angriffe übersteht der Jungvogel unbeschadet wie auch den Sprung aus der Höhle. 

Auf dem Brutgewässer sind die Familien gut getarnt, das Weibchen durch seine graubraune Färbung, die Jungen durch ihr Streifenmuster, sodass sie im Gewirr der abgestorbenen Weidenbüsche und der zahlreichen Erlenstümpfe manchmal nur schwer zu entdecken sind. Gern nutzen sie auch alte Wurzelreste oder umgestürzte Bäume zum Ruhen und vor allem zur Gefiederpflege. Ein wasserdichtes Federkleid ist für alle überlebenswichtig.

Schellenten, Wolgastsee, Insel Usedom
Schellenten Jungvögel / Foto: NABU Insel Usedom

Interessant sind auch die anderen Brutvögel des Gewässers, das ja nur in einem schmalen Streifen entlang der deutsch- polnischen Grenze verläuft. Erstmals nach Jahren hat sich wieder ein Kranichpaar eingestellt, ist aber noch ohne Nachwuchs geblieben. Das Trillern der Zwergtaucher ist allgegenwärtig. Sie tauchen oft nur kurz auf, verschwinden dann wieder zwischen den Weidenbüschen, wo sich auch ihre kleinen Schwimmnester befinden. Sechs Paare konnten wir entdecken, von denen drei bereits Nachwuchs hatten (1x2, 2x3 Jungvögel), die eifrig von den Eltern mit kleinen Fischen und Wasserinsekten gefüttert wurden.

An Gründelenten gibt es Stock- und Schnatterenten sowie ein Paar Krickenten, wobei von diesen Arten auf Grund der sehr versteckten Lebensweise Brutnachweise nur schwer zu erbringen sind. Schon im zeitigen Frühjahr haben die Graugänse ihre Jungen ausgebrütet. Wir konnten zwei Familien mit drei bzw. vier Jungen beobachten. Interessant ist, dass sich momentan auch knapp 20 Graugänse zum Mausern dort aufhalten. Graugänse führen eine Vollmauser durch, d.h. sie sind dann bis zu sechs Wochen flugunfähig, weil es solange dauert, bis die Schwungfedern wieder nachgewachsen sind. In dieser Zeit sind sie besonders störanfällig und das Gewässer muss ihnen ausreichend Nahrung bieten, da sie nicht wegfliegen können, ein weiteres Indiz für die hohe Qualität dieses Lebensraumes. 

Wolgastsee, Insel Usedom
Höckerschwan-Familie / Foto: NABU Insel Usedom

Höckerschwäne gibt es zwei Brutpaare, von denen eine Großfamilie acht Junge zum Ausfliegen bringen will. Von den Rallen kommen Blässralle und Teichralle vor. Blässrallen sind es vier Brutpaare, deren Nester ausnahmslos aus vorjährigen Rohrkolbenblättern gebaut waren. Weitere besondere Brutvögel sind ein Paar Waldwasserläufer, der in alten Drosselnestern brütet sowie zwei Paare Eisvögel, die am Rand des Tales Steilwände für ihre Bruthöhlen finden. Dazu kommen Bachstelzen, Teichrohrsänger und der Neuntöter, im unmittelbar angrenzenden Buchenhochwald auch Hohltauben, Schwarz-, Bunt- und Mittelspechte sowie als Besonderheit der Zwergschnäpper.

Bericht: Bernd Schirmeister

Fotos: Bernd Schirmeister und Winfried Becker