Unsere erste Exkursion dieses Jahres führte uns in die Haffwiesen bei Leopoldshagen, in denen seit 2011 ein Projekt zum Wiesenbrüterschutz erfolgreich umgesetzt wird.
Um 08.30 Uhr trafen sich 12 Mitglieder und Freunde unserer NABU- Regionalgruppe bei bestem Frühlingswetter nahe des Ortes am Aussichtsturm. Dort waren wir mit Geranda Olsthoorn verabredet, der Leiterin des Projektes, die uns während der knapp vierstündigen Wanderung eine Menge Hintergrundwissen vermitteln konnte. Und natürlich gab es ausreichend Gelegenheit, die typischen und wertgebenden Vogelarten des Gebietes zu beobachten.
Auf den ersten Blick sah alles ganz normal aus, weitläufige feuchteWiesen, teils in sattem Grün, teils auch sumpfiger mit verschiedenen Seggenarten. Alles schön kurzgrasig. Als dann aber das Flöten und Düdeln der verschiedenen Wiesenlimicolen zum beherrschenden Vogelchor wurde, war allen klar, dass diese Wiesen etwas ganz Besonderes darstellen. Hier brüten sie noch, Kiebitz, Rotschenkel, Großer Brachvogel, Bekassine und Uferschnepfen. Und nicht nur das, es gibt inzwischen reichlich Nachwuchs, so dass sich selbsttragende Populationen entwickeln konnten. Wie ist das möglich?
Bei dem seit 2011 laufenden Projekt handelt es sich um eine Kompensationsmaßnahme, d. h. einen Ausgleich an dieser Stelle für einen Eingriff in die Natur an anderer Stelle, in diesem Fall durch den Bau der Nordstream- Gastrasse. Ausgelegt ist das Projekt auf 20 Jahre, finanziert durch die Nordstream AG, realisiert und verwaltet durch die Flächenagentur M-V.
Hunderte Hektar Feuchtwiesen wurden moderat vernässt, so dass sie weiterhin durch Landwirte nutzbar sind, gleichzeitig aber einer Reihe bestandsbedrohter Vogelarten wieder einst verloren gegangenen Lebensraum zurückgeben. Die Flächen befinden sich im Eigentum der Stadt Anklam, was den großen Vorteil hat, dass bei der Ausgestaltung der Pachtverträge mit den Landwirten auf die Belange des Natur- und Artenschutzes Einfluss genommen werden kann und konkrete Maßnahmen vereinbart werden können. Eine Nutzung der Wiesen ist unabdingbar, das sich sonst schnell Binsen und später Büsche und Bäume ausbreiten würden, so dass sie für Kiebitz und Co. nicht mehr nutzbar wären. Zu den wichtigen Nutzungsvereinbarungen mit den Landwirten gehören Festlegungen zum Wasserstand, regelbar durch mehrere Pumpen, Mahdtermine und Mahdflächen in Anhängigkeit vom Brutgeschäft der bodenbrütenden Wiesenlimicolen sowie ein darauf abgestimmtes Weideregime durch eine Mutterkuhherde und ein Verbot des Schleppens der Flächen. Dabei gibt es Abstriche hinsichtlich der optimalen agrotechnischen Termine, für die die Landwirte finanzielle Entschädigungen bekommen. Diese Maßnahmen allein würden den Erfolg für die Wiesenbrüter, allesamt in den Roten Listen der bestandsbedrohten Vogelarten vertreten, noch nicht ermöglichen. Mitentscheidend ist der Schutz vor Prädatoren, v. a. Fuchs und Wildschwein sowie verschiedene Marderartige. Dazu ist das gesamte Gebiet von einem kilometerlangen Elektroschutzzaun (Schafzaun) umgeben, der Bodenfressfeinde wirksam abhält. So können die Gelege ausgebrütet und Jungvögel erfolgreich flügge werden, ohne größtenteils weggefressen zu werden, wie es in nicht so aufwändig geschützten Gebieten inzwischen traurige Normalität geworden ist, so dass dort keine Reproduktion mehr stattfindet und Kiebitz und Co. schließlich verschwinden. Das alles wird flankiert durch jagdliche Maßnahmen, wobei der Fuchs im Mittelpunkt steht. Dazu gehört Abschuss im Umland, um den Prädatorendruck zu senken. Außerdem wurden besenderte Kunstbauten eingerichtet, aus denen bei Bezug Fähen und Jungfüchse entnommen werden.
Ein Problem stellt der Schutz vor Luftfeinden wie Nebelkrähen und Kolkraben dar, die ins Gebiet fliegen und schnell lernen, die Nester der Bodenbrüter aufzufinden und auszurauben. Auch wir fanden mehrmals ausgefressene Eier auf dem Spurplattenweg. Allerdings lassen sich diese Verluste bei der hohen Gesamtzahl an Brutvögeln noch verschmerzen.
Damit alle diese aufwändigen und teuren Maßnahmen ihre positiven Wirkungen auf die Zielarten entfalten können, ist ein umfangreiches biologisches Monitoring notwendig, das durch Geranda Olsthoorn umgesetzt wird. Dazu gehören Kartierungen der brütenden Vögel, um einen Überblick über den Bestand und seine Veränderungen zu erhalten, aber auch, um landwirtschaftliche Arbeiten planen zu können. Das liest sich so leicht, bedingt aber stundenlange geduldige Arbeit im Gelände, bei denen man das Verhalten der Vögel genau studieren und kennen muss, um schließlich auch die Nester zu finden, Störungen aber möglichst gering halten muss. Aus Erfolg oder Misserfolg werden Schlussfolgerungen für die nächste Brutsaison gezogen. Das beinhaltet vielerlei Gespräche und oft auch harte Diskussionen mit den Nutzern der Flächen, denn nicht alle Maßnahmen oder Einschränkungen stoßen sofort auf Zustimmung und finden Verständnis. Alles mündet in schließlich in einem Projektbericht, denn auch die Geldgeber möchten wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob sich der Aufwand gelohnt hat.
Und die Erfolge sind wirklich sehenswert. Davon konnten wir uns während der Exkursion eindrucksvoll überzeugen. So brüten in den Leopoldshagener Wiesen wieder (mit jährlichen Schwankungen) ca.100 Paare Kiebitze, 6 Paare Große Brachvögel, 10 Paare Bekassinen sowie je 30 Paare Uferschnepfen und Rotschenkel, alle mit erfreulich hohem Bruterfolg. Unregelmäßig kam es sogar schon zu einzelnen Bruten des vom Aussterben bedrohten Kampfläufers. Doch nicht nur die Wiesenlimicolen machen das Gebiet so wertvoll, sondern die gesamte vielfältige Artengemeinschaft, wovon wir uns ebenfalls ein umfangreiches Bild machen konnten.
Mit vollem Kopf und Fotospeicher kehrten wir wieder zum Beobachtungsturm zurück, wo noch ein Picknick gemacht wurde. Für Geranda gab es ein Dankeschön für die interessante Führung und für den Verein eine Spende unserer Gruppe.
Bernd Schirmeister
Beobachtungsliste der Exkursion nach Leopoldshagen
28.04.2018, 08.30- 13.30 Uhr, 17°C, heiter, schwacher- mäßiger Wind (SO), Sicht: sehr gut
Graureiher: 7 (mehrfach nach W)
Weißstorch: 1
Stockente: 24 (15, 9, an Gräben brütend)
Schnatterente: 2 81, 1)
Graugans: 11
Mäusebussard: 4 (2x1, 1x2)
Rotmilan: 1
Schwarzmilan: 1
Seeadler: 8 (ad. 1, immat. 7, rastend in Bäumen am Haffufer)
Rohrweihe: 1 (1, 0)
Kornweihe: 1 (0, 1, nach O durchziehend)
Turmfalke: 3 (2, 1)
Baumfalke: 1
Kranich: 10 (2 RP, 1x6 überfliegend)
Kiebitz: ca. 80 (mehrfach Flugfeinde attackierend)
Großer Brachvogel: 6 (3x2, intensiv warnend)
Regenbrachvogel: 4 (2x2, rastend)
Bekassine: 1 (rufend, Bodenbalz)
Uferschnepfe: ca. 50 (mehrfach Gruppenflüge, Verfolgungen, Kopulation)
Rotschenkel: ca. 20 (häufig Balzrufe)
Kampfläufer: 9 (6, 3)
Kuckuck: 1 (rM)
Feldlerche: ca. 45 (sM)
Rauchschwalbe: 40
Kolkrabe: 2 (2x1, 1x mit Ei im Schnabel)
Nebelkrähe: 7 (mind. zwei Nestfunde)
Braunkehlchen: 4 (sM)
Schwarzkehlchen: 4 (3,1, wohl auch noch Durchzug)
Dorngrasmücke: 2 (sM)
Zilpzalp: 1 (sM)
Fitis: 1 (sM)
Schilfrohrsänger: 8 (sM, an verschilftem Graben)
Bachstelze: 3 (1x1,x2)
Schafstelze: 12 (9, 3)
Wiesenpieper: 16 (davon 8 sM, 2x4 im Trupp)
Star: 55 (noch mehrere Trupps)
Stieglitz: 5 (1x2, 1x3)
Bluthänfling: 2 (1 Paar)
Buchfink: 1 (sM)
Goldammer: 1 (sM)
Grauammer: 3 (sM, in der Umgebung weitere sM)
Rohrammer: 6 (sM)
Bernd Schirmeister