Von Insel zu Insel: Am 20.05.2017 trafen wir uns zeitig morgens, um von der Insel Usedom zur Insel Riether Werder zu fahren. Insgesamt nahmen elf Mitglieder und Freunde des NABU an dieser Frühjahrsexkursion teil. Durch vorpommersche Dörfer ging es in den östlichsten Teil des Kreises Vorpommern- Greifswald, wo unmittelbar an der polnischen Grenze die kleine Insel Riether Werder liegt. Klein ist sie aber nur von ihrer Größe her, als Brutgebiet für Küstenvögel hat sie eine große Bedeutung.
Eingeladen hatte der Betreuer des Schutzgebietes, Frank Joisten. Nach zweimaliger Überfahrt mit dem Boot des die Insel betreuenden Fördervereins für Naturschutzarbeit Uecker- Randow- Region e. V. über das durch den frischen Nordwestwind kabbelige Stettiner Haff standen wir alle trockenen Fußes auf der Insel, begrüßt vom Geschrei zahlloser Lachmöwen. Sie sind die Hauptakteure auf der Insel. Auf dem die Insel umgebenden Deich wurde eine ca. 4 km lange Wanderung zurückgelegt, bei wir die Vogelwelt der Insel ausgiebig kennenlernen und beobachten konnten. Frank Joisten konnte viel Interessantes aus der Vogelwelt und über die Betreuung der Insel berichten. Nachdem es mehrere Tage sommerlich heiß war, gab es nachts einen Temperatursturz und alle konnten ihre mitgebrachten Jacken gut gebrauchen.
Der Riether Werder ist Brutplatz einer ganzen Reihe bestandsbedrohter Küstenvogelarten, die hier sehr gute Bedingungen für die erfolgreiche Reproduktion vorfinden. Es gibt trockenere Bereiche, einschließlich des Deiches, der von den Möwen und Seeschwalben als Brutplatz genutzt wird. Dort findet sich Nest an Nest. Der äußerst vorsichtige Gang durch diesen Bereich des NSG zählte zweifellos zu den Höhepunkten der Exkursion. Die Insel ist Brutplatz für über 9000 BP Lachmöwen, die damit eine der größten Kolonien in Deutschland bildet. Dazu kommen ca. 80 Paare Flussseeschwalben. Dank Franks klarer Anweisungen ging kein einziges Ei kaputt. Nur das Geschrei der Möwenmassen hallte noch lange in unseren Ohren nach. Besonderes Glück hatten wir auch, bei der wissenschaftlichen Vogelberingung zuschauen zu dürfen. Zwei Studenten aus Greifswald, noch verstärkt durch einen sächsischen Beringer fingen zahlreiche Altvögel auf dem Nest. Alle Lachmöwen erhielten einen Metallring der Vogelwarte Hiddensee und einen farbigen Fußring als Zusatzmarkierung, der eine Identifizierung des Vogels mit entsprechender Optik ohne Wiederfang ermöglicht. Auf diese Weise werden Daten zu den Wanderungen der Möwen, dem Raum- Zeit- Nutzungsverhalten gewonnen sowie brutbiologische Daten wie Alter, Brutplatztreue, Partnertreue.
Besonders beeindruckend waren auch die zahlreichen Seeadler, die v. a. auf dem Deich rasteten. Überall fanden sich Fraßreste wie Lachmöwen oder Fischgräten, jetzt v. a. laichende Bleie. Das Sammeln von Adlermauserfedern lohnte sich richtig und hob die Stimmung. Auch beim Zählen der Entenvögel erwiesen sich die Adler als nützlich, brachten sie die im Innenraum rastenden Enten oftmals zum Auffliegen, so dass wir gut erfassen konnten. Für mehrere Entenarten wie Stock- und Schnatterenten, Tafel- und Reiherenten ist die Insel ein wichtiger Brutplatz. Die Enten und auch die Graugänse nutzen v.a. den von Wasserflächen durchzogenen verschilften Innenraum der Insel zum Brüten. So konnten wir mehrere Graugansfamilien mit Jungvögeln beobachten. Für die Brandgänse wurden Kunsthöhlen angelegt, in denen sie ihre Gelege ausbrüten.
Eine besondere Musik waren für uns die Balzlaute der Kiebitze und Rotschenkel, stark bedrohte Küstenvogelarten, die auf dem Riether Werder ein sicheres Refugium für die Aufzucht ihrer Jungen haben. Beide Arten wie auch Bekassine und Uferschnepfe kommen fast nur noch auf solchen Inseln an der Küste vor.
All das ist nur möglich, weil die Insel durch konsequente Prädatorenbejagung frei von Raubwild gehalten wird. Fuchs und C. haben hier keine Chance. Junge Füchse und junge Seeschwalben nebeneinander gibt es nicht. Auch kleinere Raubsäuger wie Marder, Iltis und selbst Wanderratten können auf einer solchen Insel mit bodenbrütenden Seevögeln enorme Schäden anrichten bis hin zur Vernichtung aller Bruten. Für die Vögel gibt es in aller Regel keine Alternativen für eine Umsiedlung in anderen Gebieten, so dass sie regional aussterben. Das war auch vor der Übernahme durch den Förderverein verbunden mit der jetzigen intensiven Betreuung der Fall. Die Wiederansiedlung und erfolgreiche Vermehrung zahlreicher Küstenvögel in den letzten Jahren auf dem Riether Werder ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie andere ehemals wertvolle Brutinseln leider nicht aufzuweisen haben, wenn entsprechende flankierende Maßnahmen fehlen.
Dazu gehört auch die naturschutzgerechte Beweidung des innendeichs gelegenen Grünlandes. Auf der Insel grasen Rinder, die die Vegetation kurz halten, so dass Möwen und Limicolen (Watvögel) passende Brutplätze finden. Durch sinnvolles Umkoppeln werden Nestverluste durch Viehtritt minimiert. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Schilfmahd mit entsprechend angepasster Mahdtechnik. Vor allem die sommerliche Mahd drängt das Schilf erfolgreich zurück und erhält das Grünland als wichtige Brut- und Rastplätze. Ebenso wichtig ist die Mahd außendeichs. Durch das Zurückdrängen des Schilfs hat sich salzgraslandtypische Vegetation wieder eingestellt mit zahlreichen bestandsbedrohten Arten. Im nördlichen Teil der Insel gibt es eine Verbindung zum Stettiner Haff, durch die bei starken Winden aus nördlichen Richtungen Wasser innendeichs strömt. Dadurch entsteht ein kleinräumiges Mosaik aus schilfdurchwachsenen Wasser- und Schlammflächen, in denen Entenvögel, aber auch der Kranich brütet und ab Sommer zahlreiche Limicolen rasten.
Interessant waren auch die vielen Biberspuren. Der eigentlich geringe Baumbestand des Riether Werder wird wohl bald vollständig der Vergangenheit angehören. Schade für die Seeadler, denen dann einige Aussichtswarten verloren gehen.
Den Fotoapparat voller Bilder und den Kopf voller Eindrücke gelangten wir nach kurzer Überfahrt zurück ans Festland, wo am Fischereihafen erstmal ein Picknick eingenommen wurde. Auf der Rückfahrt unternahmen wir noch einen Abstecher ins Anklamer Stadtbruch. Nach der Franzoseneiche im Dorf Bargischow gab es schon in den Bargischower Wiesen Kraniche und Graugänse. Das Fischadlerpaar saß auf seinem Horst. Die Reste der Karniner Eisenbahnhubbrücke boten auch vom Festland einen interessanten Anblick. Die dort brütenden Dohlen waren mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Im Polder Kamp gab es bei nun auch endlich sonnigerem Wetter wieder gute Gelegenheiten zur Vogelbeobachtung. Rohrschwirl und Schilfrohrsänger wurden ebenso verhört wie die ersten Karmingimpel des Jahres. Auf dem Schotterbett des alten Eisenbahndammes kam uns plötzlich eine weitere NABU- Exkursionsgruppe entgegen, die von unserem Landesvorsitzenden, Stefan Schwill geführt wurde. Längere Zeit wurde an der Kombination einer doch recht weit entfernten farbberingten Graugans gerätselt, aber der modernen Optik war sie nicht gewachsen. Dann wurde es auch Zeit für die Rückfahrt.
Datum: 20.05.17, 09.00- 12.00 Uhr
Wetter: 17°C, bedeckt, später stark bewölkt, mäßiger- frischer Wind (NW), Sicht: gut,
später sehr gut, morgens Sprühregen
Beobachtungen:
Haubentaucher: 5 (1x1, 2x2)
Kormoran: 30
Graureiher: 32
Stockente: 83 (67, 18), 1x Nest (8 Eier)
Schnatterente: 54
Pfeifente: 2 (2, 0)
Löffelente: 14 (11, 3)
Knäkente: 1 (1, 0)
Tafelente: 98 (77, 21)
Reiherente: 116 (90, 26)
Brandgans: 12
Graugans: 52, davon juv. 13 (2x2, je 1x4, 5)
Höckerschwan: 133, Nichtbrüter
Rotmilan: 1
Schwarzmilan: 1
Seeadler: 16 (ad. 2, immat.14)
Rohrweihe: 2 (0, 2)
Kranich: 2 (1x2)
Blässralle: 2 (2x1)
Teichralle: 2 (2x1 rM)
Kiebitz: 11 (5x1, 3x2)
Rotschenkel: 12
Bruchwasserläufer: 24
Alpenstrandläufer: 6
Silber- und Steppenmöwe: 31, immat.
Lachmöwe: 9862 BP
Flussseeschwalbe: 70 BP
Feldlerche: 4 sM
Kolkrabe: 1
Nebelkrähe: 2
Bartmeise: 12 (5x1, 2x2, 1x3)
Bachstelze: 10 (5x2)
Schafstelze: 8 (4x1, 2x2)
Drosselrohrsänger: 9 sM
Teichrohrsänger: 25 sM
Schilfrohrsänger: 8 sM
Rohrschwirl: 2 sM
Rohrammer: 21 sM
Bernd Schirmeister