Die Plätze waren dieses Mal langfristig gebucht, die Fahrkarten bestellt. Es sollte vom Hafen Peenemünde mit dem Schiff zur Insel Greifswalder Oie gehen. Anfang September ist für ein solches Vorhaben ein guter Zeitpunkt, weil es dann auf der Insel ebenso wie auf den umliegenden Wasserflächen eine Menge Vögel zu sehen gibt. Also trafen wir uns am 3. 9. im Hafen von Peenemünde. Die Personaldecke war dieses Mal etwas dünner, da etliche Mitglieder wegen anderer Verpflichtungen an der Exkursion nicht teilnehmen konnten. Dafür hatten wir reichlich Werbung für die Fahrt betrieben, so dass eine Reihe Freunde und Gäste begrüßt werden konnte.
Nachdem jeder seine Technik und Notverpflegung für einen Tag an Bord verstaut hatte, ging es auch schon los. Das Schiff hieß „Seeadler“ und ein solcher flog auch gleich hinter dem Hafen entlang des Peenestroms, wohl auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit in Form eines dicken Fisches. Oder vielleicht stand Kormoran auf der Speisekarte, von denen wir an diesem Tag reichlich zu sehen bekamen. Zunächst ging es aber rüber aufs Festland in den Hafen von Freest, wo reichlich junge Leute zustiegen, von denen später noch die Rede sein wird.
Nun ging es durch die ruhige See in Richtung der Oie. Unterwegs ergaben sich schöne Beobachtungsmöglichkeiten. Das NSG Peenemünder Haken mit seinen Sandbänken und Flachwasserbereichen wurde passiert. Auf dem offenen Wasser hielten sich Trauer- und Eiderenten auf, ebenso verschiedene Möwenarten. Auffällig war der intensive Durchzug von Flussseeschwalben. Auch Raub- und Brandseeschwalben waren noch unterwegs in ihre afrikanischen Winterquartiere. Vom Struck tönte das Geschnatter hunderter Graugänse und das Weiß von ca. 3500 Höckerschwänen bildete einen schönen Kontrast zum blauen Wasser. Naja, es war eher grau, denn die Sonne zeigte sich nur spärlich. Auf der Mole, die die Hafeneinfahrt zur Insel Oie schützt, saßen Hunderte Mantelmöwen und auch viele Silbermöwen. Da die Vögel offenbar an das Schiff gewöhnt waren, flogen sie nicht hoch. Also schnell im Vorbeifahren die Möwen mit dem Fernglas durchgemustert- aber Fehlanzeige, keine farbberingten dabei. Im Hafen begrüßte uns ein junger Mann von der Inselstation des Vereins Jordsand, der die Insel naturschutzmäßig betreut und auch für die Besucherlenkung verantwortlich ist. Er hatte ein Japannetz mitgebracht und mit Hilfe eines hölzernen Karmingimpels erklärte er den Landratten die Grundzüge der wissenschaftlichen Vogelberingung. Das war sehr anschaulich und informativ und nun wusste jeder Bescheid, welch große Bedeutung die Insel für den Vogelzug hat und welche Mengen an Vögeln jedes Jahr gefangen und beringt werden, in der Hoffnung auf einen Wiederfund. Nun machte sich Zugunruhe innerhalb der Gruppe breit, denn unterhalb des schönen Kliffs auf der Ostseite der Insel hielten sich jede Menge Vögel auf. Also erstmal einen kurzen Guck- und Fotostopp eingelegt. Gänse- und Mittelsäger, Eiderenten und verschiedene Möwenarten saßen auf den großen Findlingen, die dort im Wasser liegen. Am beeindruckendsten waren aber die Massen an Kormoranen, die Steine, Wasserflächen, Uferzone und vor allem die am Ufer stehenden Bäume okkupiert hatten. Plötzlich kreuzte ein Segelschiff dicht am Ufer entlang, was die Vögel zum sofortigen Auffliegen brachte. War die Störung zwar ärgerlich (und auch völlig unnötig) für die Tiere, denn dort hatte ein Segelboot im Naturschutzgebiet nichts zu suchen, waren die auffliegenden Massen von geschätzt 7000 Kormoranen doch ein unvergleichlicher Anblick.
Nachdem der Kollege vom Verein Jordsand sich verabschiedet hatte, kamen wir in die Hände eines netten Mitarbeiters der Reederei, der uns auch bis zum Leuchtturm begleitete. Man sieht daran, wie gut und straff die Besucherbetreuung und- lenkung inzwischen organisiert ist, so dass es kaum möglich ist, mal ein paar Schritte unbeaufsichtigt zu machen. Es gelang mir aber doch und sogleich wurde ich mit dem Fund der Rupfung eines Kuckucks belohnt. Viel mehr gab es aber auch nicht einzutüten und das war schon sehr erstaunlich. Bei der letzten Exkursion zur Oie zum etwa gleichen Zeitpunkt hielten sich große Singvogelmengen auf der Insel auf und ebenso deren Nachnutzer, vor allem Sperber. Das war jetzt eindeutig nicht der Fall. Vermutlich hatte das spätsommerlich warme Wetter den Vogelzug verzögert, was uns später auch vom Jordsand bestätigt wurde, so dass sie momentan kaum etwas in den Netzen hatten. Obwohl die Büsche voller leuchtender Früchte wie Schlehen, Hagebutten, Weißdornbeeren und Brombeeren hingen, gab es kaum Kleinvögel zu entdecken. Am Leuchtturm angekommen, wagten einige von uns den (kostenpflichtigen) Versuch der Besteigung der über 300 Stufen und wurden mit einem fantastischen Ausblick auf die pommersche Bucht mit den Inseln Usedom und Wollin und über den Bodden mit den Inseln Ruden und Rügen bis nach Greifswald belohnt. In der Lagune am Kliff der Nordspitze riefen interessanterweise drei Wasserrallen, die wir jedoch im dichten Schilf nicht zu sehen bekamen. Dann wurde es auch schon Zeit für den Rückweg. Also sammeln und geordneter Rückzug, auch wieder fast ohne Vögel, trotz intensiven Suchens. Fast schon vorbei an der Inselstation hörte ich plötzlich meinen Namen aus Richtung eines kleinen Elektrokarrens, der Koffer zum Schiff transportierte. Die Wiedersehensfreude mit Jens Voigt aus dem Vorstand des Vereins sächsischer Ornithologen war groß. Schnell waren wir erzählenderweise am Hafen angekommen, wo es ebenfalls reichlich junges Volk gab. Plötzlich erkannte ich Dr. Uli Köppen, den Leiter der Beringungszentrale (ehemals Vogelwarte Hiddensee) in Greifswald. Daneben stand Susanne Kreutzer, die unseren NABU- Kollegen noch gut von ihrer engagierten Arbeit im Naturschutzzentrum Karlshagen ein Begriff ist und die nun ebenfalls an der Beringungszentrale arbeitet. Nach der herzlichen Begrüßung wurde meine Frage nach einem Betriebsausflug verneint. Der jährliche Beringerlehrgang war zu Ende gegangen und zwar erfolgreich. Alle elf Teilnehmer hatten die abschließende Prüfung bestanden. Aha, das waren also die jungen Leute um uns herum. Sie kamen aus allen Teilen Deutschlands, einer sogar aus Österreich. Bei der Truppe, die in Freest aufs Schiff gestiegen war, handelte es sich um die neue Besatzung der Inselstation, die nun die Aufgaben der Vogelberingung wahrzunehmen hatte.
Munter schwatzend ging es aufs Schiff. Im Hafenbecken schwamm ein Männchen der Trauerente, das sich prima aus der Nähe fotografieren ließ. Plötzlich rief der Kapitän „Robbe“! - Wo?- Tatsächlich, draußen auf einem Stein des Oier Riffs lag eine große Kegelrobbe. War das ein Abschluss! Wir fuhren mit dem Schiff relativ dicht vorbei, so dass ganz gute Fotos gelangen und alle Passagiere den großen Meeressäuger, die seit einigen Jahren wieder an unsere Küsten zurückgekehrt sind, ausgiebig beobachten konnten.
Nach erneuter ruhiger Überfahrt, bei der wir nahe am Peenemünder Haken noch zwei Silberreiher beobachten konnten, langten wir wieder im Hafen Peenemünde an, wo der schöne Tag seinen Ausklang nahm.
Bernd Schirmeister