Wintervogelzählung 2015 auf Usedom

Zusammenstellung und Auswertung: Bernd Schirmeister


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Auswertung der Wintervogelzählung 2015 auf der Insel Usedom

 

1. Teilnahme/Zählstrecken der Usedomer NABU- Regionalgruppe

 

- insgesamt wurden sechs Zählstrecken auf der Insel bearbeitet, die bereits seit
  2009 Bestandteil des von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft des
  Landes M-V initiierten Monitorings sind
- diese Datenreihen erlauben viele Aussagen zum Vorkommen und zur Verbreitung
  unserer Vögel im Winter sowie interessante Vergleiche zwischen den Jahren, da sich die
  Gebietskulisse nicht verändert hat
- die wichtigsten Lebensraumtypen Wald, Offenland und Siedlung wurden durch die Zählung abgedeckt
- insgesamt waren sieben Mitglieder und Freunde der NABU- Regionalgruppe beteiligt
- Siedlung: Heringsdorf (K.- H. Loist, M. Kaster)
               Bansin (B. Schirmeister)
- Wald: zwischen Kölpinsee und Ückeritz (K. Räsch)
- Offenland: zwischen Zinnowitz und Krummin (A. und K. Knapp)
                 auf dem Gnitz (W. Nehls)
                 Thurbruch (B. Schirmeister)

 

2. Methodik

 

- nach der vorgegebenen Anleitung waren je eine Zählung in den Monaten Januar bzw.

  Februar in etwa vierwöchigem Abstand durchzuführen

- die zu wählende Route sollte zwischen 3 und 5 km lang sein, dabei sollte möglichst nur

  ein Lebensraumtyp kartiert werden

- auf dieser Route waren alle Vögel zu erfassen, die eine Beziehung zum untersuchten

  Gebiet haben

- das Zählgebiet sollte dabei kartenmäßig innerhalb eines Messtischblattes liegen, um spätere, überregionale Auswertungen zu erleichtern

 

3. Erfassungsbedingungen

 

- der Winter 2014/15 war wie auch der vorangegangene ein Mildwinter

- bis Ende Januar war es bis auf wenige Tage durchgängig frostfrei

- um die Monatswende zum Februar setzte eine kurze Fristperiode ein, die etwas Schnee

  brachte und zum Zufrieren der Binnengewässer führte

- nach einer guten Woche setzte jedoch bereits wieder Tauwetter ein, der Schnee schmolz

  schnell wieder, am Tage herrschten leichte Plustemperaturen, nachts gab es gelegentlich leichten Frost

- Niederschläge fielen nur selten und in geringem Umfang, oft schien die Sonne  unter

  Hochdruckeinfluss

- dadurch waren fast durchgängig gute Erfassungsbedingungen während der Zählperiode

  Gegeben

 

4. Ergebnisse

 

- der milde Witterungsverlauf hatte natürlich starken Einfluss auf die Ergebnisse

- insgesamt wurden 15515 Vögel erfasst, davon 8186 bei der ersten und 7329 Ind. bei der zweiten Zählung (2013: 6132- 3311/2821, 2014 10107- 6308/3799)

- im Vergleich zum vorangegangenen ebenfalls milden Winter ist das eine nochmalige

  deutliche Steigerung um ca. 5000 Vögel

- die festgestellte Gesamtzahl ist erneut die höchste im Untersuchungszeitraum

- interessant ist auch die gute Übereinstimmung der Zahlen beider Erfassungen, was für einen kontinuierlichen Aufenthalt vieler Arten während des Winters spricht

- insgesamt wurden 76 Vogelarten registriert, auch das ist neuer Rekord (2013: 57, 2014: 63)

- dabei wurde das Gros der anwesenden Vögel von wenigen Arten bzw. Artengruppen

  dominiert, das sind Gänse, Krähenvögel sowie Meisen und Finkenvögel

- viele Arten kamen oft nur in kleinen Gruppen oder sogar nur Einzelexemplaren vor

- dabei bildet aber die große Zahl der Arten sehr gut die Vielgestaltigkeit und damit die

  Qualität der Lebensräume ab, wenngleich sich auch hier große Unterschiede zwischen Wald, Offenland und Siedlungsraum zeigten

- der Wald bietet vielen Vögeln im Winter zum einen  recht wenig Nahrung, kann aber für

  einige Arten das Überleben sichern, die dann im Wald in hohen Anzahlen auftreten, das betrifft z. B. Ringeltauben, Kohlmeisen oder Erlenzeisige, die sich von Sämereien ernähren

- Spechte, Kleiber oder auch Tannen- und Haubenmeisen verlassen den Wald nur selten, um sich z. B. an Futterstellen in den Siedlungen einzustellen

- Siedlungen bieten auf Grund dieser Fütterungen und auch ihres geschützteren Kleinklimas für viele Arten gute Überlebensbedingungen im Winter, das betrifft viele Singvogelarten wie Meisen, Finken, aber auch Krähenvögel, wird im Freiland die Nahrung knapp, stellen sich auch Greifvögel wie Mäusebussard oder Sperber in den Ortschaften ein, um erfolgreich auf Kleinvögel zu jagen oder Singvögel wie die Wacholderdrossel, wenn im Offenland  die Beerenfrüchte an den Wildsträuchern zur Neige gehen, finden in Obstgärten noch Futter

- sehr artenarm sind hingegen oft reine Feldfluren, was einen deutlichen Hinweis auf die

  strukturarme und ausgeräumte Landschaft darstellt, die den Vögeln oft keinerlei Nahrung, Schutz und Deckung bieten kann

- deutlich besser sieht es hingegen oft schon in Wiesenlandschaften aus, wenn sie über

  entsprechende Strukturen wie flächige oder lineare Gehölze verfügen oder störungsarm

  sind, so dass z. B. nordische Gänse in großer Zahl Nahrung und Ruhe finden können

 

4.1. Wasservögel

 

- diese Arten sind nicht die vordergründigen Zielarten des Monitorings, da ihre Vorkommen bereits gut durch die verschiedenen Wasservogelzählprogramme erfasst werden

- insgesamt kamen 16 Arten zur Beobachtung

- vor allem Gänse und zum Teil auch Schwäne rasten in den großen Wiesenniederungen wie dem Thurbruch, Stockenten und Graureiher trifft man auch an den Gräben an

- auf Grund der milden Witterung verblieben an vielen Stellen auf der Insel größere

  Rastgemeinschaften von Grau-, Bläss- und Saatgänsen

- eine große Besonderheit bildeten die 11 Kurzschnabelgänse im Thurbruch, von denen ein Vogel einen weißen Farbring trug, er wurde 2008 auf Spitzbergen beringt

- verschiedenen Möwenarten waren in den Seebädern anzutreffen, wo sie auf den Dächern der großen Villen rasten, um dann am Strand Nahrung zu suchen

- durch die milde Witterung und vorangegangenen Regen waren in den Wiesenniederungen größere Wasserflächen entstanden, dort suchten v. a. große Trupps von Sturmmöwen nach Nahrung, z. B. ertrunkenen Regenwürmern

 

4.2. Greifvögel

 

- insgesamt kamen sieben Arten zur Beobachtung

- Kornweihe und Wanderfalke fehlten in diesem Jahr auf den Kontrollstrecken, konnten dafür jedoch an anderer Stelle z. T. in größeren Anzahlen regelmäßig gesehen werden

- eine Besonderheit ist der bei Krummin beobachtete Merlinfalke, ein eher seltener Gast im Winter

- häufigste Art war der Mäusebussard, von dem bei beiden Zählungen insgesamt 29 Ind.

  registriert wurden, größere Ansammlungen gab es im Thurbruch, wo offenbar genug Mäuse als Nahrungsgrundlage zur Verfügung standen (2013: 19 Ind., 2014: 24 Ind.)

- ähnlich war die Situation beim nordischen Raufußbussard, von dem auf dem Gnitz und im Thurbruch acht Vögel gesehen wurden

- überwinternde Turmfalken wurden nur einmal angetroffen, erwähnt werden soll hier noch, dass das Brutpaar der Bansiner Kirche am 19. Februar aus dem Winterquartier zurückkam, etwas zehn Tage früher als in den Vorjahren

 

4.3. Krähenvögel

 

- erneut wurden die gleichen sechs Arten wie im Vorjahr registriert

- Krähenvögel wurden in allen untersuchten Lebensraumtypen angetroffen und sind im

  Winter durch ihr oft schwarmweises und lautstarkes Auftreten eine auffällige Erscheinung

- die hohen Zahlen kamen durch den erneut gut besetzten Schlafplatz in Bansin zustande, der den ganzen Winter durchgängig genutzt wurde, dabei nächtigen Saatkrähen und Dohlen  gemeinsam, während sich die Nebelkrähen gern etwas abseits im Randbereich des Platzes halten

- dabei verbleiben am Tage nur Nebelkrähen in größerer Anzahl im Ort, Saatkrähen und

  Dohlen nutzen für die Nahrungssuche vorwiegend das Offenland, dabei werden zwischen Schlafplatz und Nahrungsraum oft größere Entfernungen zurückgelegt, wie Beobachtungen um die Stadt Usedom zeigten

- Nebelkrähe: 559 Ind. (2014: 549 Ind.)

- Saatkrähe: 2114 Ind. (2014: 1719 Ind.)

- bei den Elstern handelt es sich um die örtlichen Brutbestände, das zeigen die Zahlen sehr deutlich

- die Elstern bilden im Winter aber auch oftmals kleine Schlafplatzgesellschaften, halten sich dabei aber von den anderen Arten fern

- Elster: 74 Ind. (2014: 75 Ind.)

 

4.4. Tauben und Spechte

 

- mit insgesamt 395 Ind. war die Ringeltaube eine ständig anwesende und auffällige Art

- ihr bot die gute Buchenmast in Zusammenhang mit Schneefreiheit eine sichere und

  energiereiche Nahrungsquelle, so dass es in Wäldern und Parks mit Buchenbestand zu

  größeren Ansammlungen kam (2013: 70 Ind., 2014: 244 Ind.)

- Türkentauben sind nach wie vor selten und wurden nur in Bansin gesehen

- erfreulich ist ein Grünspechtes in Heringsdorf, solche Beobachtungen gelangen auch an

  anderen Orten, so dass Hoffnung besteht, dass die hohen winterlichen Verluste der Vorjahre wieder ausgeglichen werden können

- häufigste Spechtart ist der Buntspecht mit 32 Ind. (2014: 25 Ind.), diese Unterschiede

  können erfassungsbedingt sein und spiegeln die Aktivität der Vögel (Nahrungssuche, Rufe, Balztrommeln) im Winter wider

 

4.5. Singvögel

 

- dazu gehören auch die bereits oben behandelten Krähenvögel, sie sind die artenstärkste Gruppe und stellten mit 41 Arten über die Hälfte aller Arten

- dabei bildeten die Gruppen der Drosseln, Meisen, Finken sowie Ammern die zahlenmäßig größten Ansammlungen

- bei den Drosseln war die Wacholderdrossel, von der es erst spät im Dezember auffälligen Zuzug nordischer Vögel gegeben hatte, v. a. bei der ersten Zählung eine auffällige Art(insgesamt 1415, davon 1196 bei der ersten Zählung, 2014 insgesamt 580 Ind.)

- Amseln sind v. a. in den Siedlungen häufig, wenn Strukturreichtum Nahrung und Deckung bieten, kommen sie auch im Offenland vor

- Rotkehlchen überwinterten in ähnlicher Anzahl wie im milden Winter des Vorjahres

  (2015: 29, 2014: 33, im strengeren Winter 2013 nur 14 Ind.)

- häufigste Meisenart war erwartungsgemäß erneut die Kohlmeise mit 783 Ind (2014: 580

  Ind.), Verbreitungsschwerpunkt waren die Ortschaften mit ihren Futterstellen als

  verlässliche Nahrungsquelle, aber auch im Wald wurde sie als sehr häufig registriert

- der Kohlmeise folgte in der Häufigkeit die Blaumeise mit 325 Ind. (2014: 158 Ind.), sie

  zeigt ein ähnliches Verbreitungsmuster wie die vorige Art

- Weiden-, Sumpf-, Tannen- und Haubenmeisen waren deutlich seltener, dabei stellen die 45 im Wald bei Kölpinsee beobachteten Haubenmeisen eine völlig aus dem Rahmen fallende Ansammlung dar

- Haussperlinge wurden 615 Ind. gezählt, die sich ausschließlich in den Ortschaften aufhielten die Zunahme von 93 auf 211 Ind. in Bansin von der ersten zur zweiten Zählung ist völlig unklar und nicht methodisch bedingt

- Buchfinken mit 137 Ind. (2014: 110 Ind.) und Bergfinken mit 79 Ind. (2014: 14 Ind.) waren etwas häufiger, sie fanden durch die Bucheckernmast wie andere Arten auch eine gute Nahrungsgrundlage, fanden sich auch an örtlichen Futterstellen ein, bildeten aber keine großen Schlafplatzgemeinschaften, wie in vergangenen Jahren beobachtet (und in diesem Jahr in Süddeutschland mit riesigen, nach Millionen zählenden Schwärmen eine gewaltiges Massenphänomen)

- gut vergleichbar waren die Zahlen auch beim Grünfinken mit 203 Ind. (2014: 255 Ind.) und Erlenzeisig mit 506 Ind. (2014: 451 Ind.)

- deutlich häufiger war die Grauammer mit 137 Ind. (2014: 23 Ind.), sie ist eine typische

  Offenlandart und kann von der Landwirtschaft profitieren, das zeigte sich im Thurbruch, wo eine größere Ansammlung bei der Rinderhaltung nahe Ulrichshorst gesehen wurde, die sich dort von Sämereien aus dem Stroh ernährten

- das trifft in ähnlicher Weise auch auf die Goldammer zu, mit 105 Ind. war sie häufiger als 2014 mit 64 Ind., diese Art ist im Winter sehr flexibel im Ausnutzen regional zur Verfügung  stehender Nahrung, das zeigte sich z. B. in Bansin, wo an einer kleiner Pferdehaltung am Ortsrand 33 Ind. beobachtet wurden

 

4.6. Besonderheiten

- zum Abschluss soll hier auf einige beobachtete Besonderheiten eingegangen werden

- Kranich, von diesem Zugvogel, der in Südwesteuropa überwintert, wurde ein Ind. gesehen, bereits kurz nach Abschluss der Zählungen häuften sich weitere Beobachtungen, in anderen Landesteilen überwinterten Hunderte Kraniche

- Kiebitz, eigentlich auch kein typischer Wintervogel, es wurden zwei Ind. beobachtet, zur

  Wasservogelzählung im Januar waren es sogar 20 Ind., was für eine Reihe von

  Überwinterungsversuchen spricht

- das trifft auch auf die 44 Goldregenpfeifer im Thurbruch zu

- Seidenschwänze wurden auf dem Gnitz, in Heringsdorf und Bansin gesehen (20 Ind.),

  von dieser hochnordischen Art gab es nach ihrem fast völligen Fehlen im Spätherbst

  erst im Januar einen merkbaren Einflug nach Deutschland, der sich auch bei uns

  zeigte

- Wiesenpieper, eigentlich ein Zugvogel, der uns im Herbst verlässt, nur in milden Wintern

  können einzelne Vögel verbleiben, die ungewöhnlich hohe Zahl von 79 Ind. im Thurbruch  im Februar ist auf starke Winterflucht zurückzuführen, die in ähnlich starkem Maße auch in  anderen Regionen unseres Landes registriert wurde

- Raubwürger hielten sich im Thurbruch zwei Ind. auf, wo sie mehrfach bei der Mäusejagd

  beobachtet wurden, die Art beansprucht große Winterreviere zum Überleben und entgeht dann auch leicht der Beobachtung

- Stare wurden 166  beobachtet, im Thurbruch waren sie waren meist mit Wacholderdrosseln vergesellschaftet und nutzten Sämereien, aber auch in Bansin wurden an Ligusterfrüchten fünf Ind. gesehen

- Schneeammer, 2 Ind. im Thurbruch, diese hübsche Art ist ein regelmäßiger, aber nicht

  häufiger Wintergast aus Skandinavien.

 

 

Bernd Schirmeister