Balm (OZ) - Das Lob an die 25 Autoren des Bürgergutachtens fiel einhellig aus — doch praktisch ebenso einhellig klang die Skepsis bei den Besuchern der Präsentationsveranstaltung am Sonntagnachmittag im Balmer Golfhotel durch. Denn angesichts des Titels „Zukunft des Thurbruchs — Ein Leben mit dem Moor“ fürchteten viele der rund 60 Gäste weiter ansteigende Wasserpegel und feuchte Keller in den angrenzenden Dörfern. „Wir wollen uns nicht noch einmal ein Planfeststellungsverfahren aufbrummen lassen wie bei der Zerninseesenke“, warnte Südamtsvorsteher Karl-Heinz Schröder.
Gleichzeitig sah er in dem Bürgergutachten jedoch die Chance, dass die direkt Betroffenen mitwirken können bei möglichen Veränderungen in dem landwirtschaftlich vor allem als Grünland genutzten Feuchtgebiet.
Gefördert vom Bundesbildungsministerium hatte die Universität Greifswald 1700 Einwohner des Amtes Usedom-Süd und 300 aus der Gemeinde Heringsdorf eingeladen, ihre Vorstellungen zur weiteren Entwicklung des Thurbruchs in das Bürgergutachten einzubringen — 25 beteiligten sich schließlich und trugen an drei Wochenenden zusammen, was ihnen wichtig schien. Drängender Handlungsbedarf, so lautete ein Fazit, bestehe übrigens nicht: Zwar habe das etwa 1600 Hektar große Moor durch die Entwässerung in den Jahren 1960 bis 1990 etwa 60 Zentimeter an Mächtigkeit verloren — seitdem aber sei der Schwund durch Verzicht auf eine Intensivnutzung praktisch zum Stillstand gekommen.
Im Gegensatz zum Anklamer Stadtbruch, das durch eine Sturmflut im November 1995 als Kulturland verloren gegangen ist, soll das Thurbruch laut Bürgergutachten nur behutsam verändert werden: Die Uni Greifswald schlägt die Entwicklung einer sogenannten Paludikultur vor — eine vom lateinischen Wort „palus“ für Sumpf abgeleitete Bezeichnung einer umweltverträglichen Moorbewirtschaftung: Einerseits soll der Wasserstand hoch genug sein, um ein Absacken des Moors und damit das weitere Austreten des klimaschädlichen CO2 zu vermeiden. Andererseits sollen die Flächen für den Anbau nässeliebender Pflanzen weiter genutzt werden können; dabei geht es aus Sicht der Greifswalder Wissenschaftler nicht nur um die klassische Grünlandwirtschaft, sondern auch um die Kultivierung von Pflanzen, die als Grundstoff beispielsweise für Dämmmaterial genutzt werden können. Und ganz nebenbei wollen die Autoren des Gutachtens durch ihre Arbeit auch die Entwicklung des naturnahen Tourismus fördern.
Konkrete Handlungsempfehlungen enthält die Studie indes nicht. Die Dargener Bürgermeisterin Bärbel Finn betonte sogar ausdrücklich ihre Hoffnung, dass „nichts weiter passiert“ und das Gutachten nicht als Basis einer Renaturierung in Form höherer Wasserstände dienen wird. Die Autoren hingegen erwarten durchaus, „dass auf Grundlage unseres Gutachtens Aktionen folgen“. Nun sehen sie die Politiker in der Pflicht — neben Amtsvorsteher Schröder erhielten unter anderem auch die Kreistags- und Landtagsabgeordnete Mignon Schwenke (Linke) und Manfred Baum, Referatsleiter für nachhaltige Entwicklung und Naturschutz beim Landwirtschafts- und Umweltministerium, Exemplare der frisch gedruckten Expertise. Baum versprach, dass das Bürgergutachten in Schwerin genau gelesen werde; möglicherweise könne es dann bei der Entwicklung von Projekten für den neuen Förderzeitraum zwischen 2014 und 2020 verwendet werden. Übrigens ist die Arbeit der Autoren mit der Fertigstellung des Gutachtens noch nicht zu Ende: Eine Projektgruppe soll die weitere Entwicklung des Thurbruchs langfristig begleiten und mit Wissenschaftlern der Universitäten Greifswald und Kiel zusammenwirken.
Das Gutachten soll unter www.botanik.uni-greifswald.de
abrufbar sein.
Bitte die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst nehmen!
Respekt: 25 Einwohner aus dem Südamt und Heringsdorf haben drei Wochenenden geopfert, um aus Geschichte und Gegenwart des Thurbruchs Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Das verdient Anerkennung — denn sie beweisen, dass Einwohner nicht nur schimpfen und protestieren. Doch die Bürgergutachter verfügten weder über Geld für wissenschaftliche Begleitprogramme noch über Möglichkeiten, konkrete Projekte für eine nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten. So bleibt die Expertise unkonkret — über Anregungen nach dem Motto „Man könnte, man sollte...“ geht das Werk nicht hinaus. Nur soviel arbeiteten sie klar heraus: Weder Privatleute noch Landwirtschaftsbetriebe sollen dem Naturschutz zuliebe auf Eigentum beziehungsweise Einnahmen verzichten müssen.
Diese Feststellung ist wichtig — schließlich klagen im Südosten der Insel schon jetzt Hausbesitzer über Beeinträchtigungen durch steigende Grundwasserpegel. Das zeigt: Egal, welche Vorhaben Wissenschaftler und Politiker am Ende für das Thurbruch auf den Weg bringen wollen — sie können nur dann mit der Unterstützung der Bevölkerung rechnen, wenn sie deren Bedürfnisse ernst nehmen.
Anke Denzel