Nein, soweit war es noch nicht- das charakteristische, einem Schellengeläut ähnelnde und namengebende Fluggeräusch der Schellenten ließ sich noch nicht vernehmen. Der Wolgastsee war noch von dünnem Eis bedeckt. Nur an einem größeren Wasserloch tummelten sich ca. 150 Stockenten und das Paar Höckerschwäne vom vorigen Jahr mit ihren Jungvögeln. Ab und zu überflogen Gänsesäger und Kormorane den See, wohl um zu schauen, ob es schon etwas zum Fischen gibt. Aber wir waren heute nicht zur Vogelbeobachtung gekommen.
Am 11.02.23 hatten wir uns am See zu einem Arbeitseinsatz verabredet. Wir- das sind Winfried Becker, Rudi Kuszak und Bernd Schirmeister aus der NABU- Regionalgruppe Usedom sowie Frank Segebrecht, ein Dachdeckermeister aus Ahlbeck, der uns mit seinem technischen Equipment eine ganz wichtige Hilfe war. Thomas Eschenauer war ebenfalls dabei, mit dem Arbeitsschwerpunkt der filmischen Dokumentation des Einsatzes.
Schellenten brüten bereits seit etlichen Jahren am Wolgastsee und dem östlich davon an der polnischen Grenze gelegenen Grenzsee. Schellenten sind Höhlenbrüter, brauchen also entsprechend große Baumhöhlen für die Nestanlage. Ein wichtiger Höhlenbauer ist der Schwarzspecht, der am Wolgastsee mit mehreren Paaren vorkommt und dessen frei gewordene Höhlen Schellenten gern zum Brüten beziehen. Aber Wohnraum kann es nie genug geben.
Deshalb hatten wir vor einigen Jahren drei Nistkästen in Bäumen am Seeufer angebracht. Nachdem diese Kästen Bachstelzen und Hornissen zur Aufzucht des Nachwuchses gedient hatten, war es im vorigen Jahr endlich soweit. Zwei der drei Kästen wurden von der Zielart angenommen. Leider wurde ein brütendes Weibchen Opfer des Marders. Wir hatten die Kästen gegen Überklettern zwar von unten mit einer breiten Manschette aus Wellplaste geschützt, jedoch nicht von oben. Der Marder war ein dünnes Ahornbäumchen empor geklettert und über einen Seitenast an den Nistkasten gelangt. Er hatte das Weibchen totgebissen und auf das Kastendach geschleppt, so dass wir diesen Kasten bereits im Herbst vorigen Jahres mit einer Manschette nachrüsteten.
In dem anderen Kasten wurde sogar zweimal gebrütet und erfolgreich Junge aufgezogen. Die Küken verlassen die Nisthöhlen unmittelbar nach dem Schlupf, sind also Nestflüchter. Da sie noch nicht fliegen können, springen sie aus dem Kasten in die Tiefe. Dabei passiert ihnen auf Grund ihres sehr geringen Gewichtes nichts. Sie folgen den Lockrufen der Mutter sofort auf das nahebei liegende Gewässer.
Wie schon 2021 waren auch 2022 insgesamt 10 Weibchen am See, von denen nachweislich sechs Schellenten brüteten und insgesamt 32 Jungvögel ausbrüteten.
Nun also ein erneuter Artenschutzeinsatz für die Schellente. Leider machen dem Wolgastsee und noch mehr dem Grenzsee die letzten warmen und v. a. sehr niederschlagsarmen Jahre zu schaffen. Die Wasserstände sind stark gesunken. An einigen Stellen gibt es sogar Verlandungserscheinungen.
Deshalb mussten wir einen Nistkasten aus einem weitgehend trocken gefallenen Erlenbruch abnehmen. Dort gibt es nun eine starkwüchsige und filzige Bodenvegetation, die den jungen Schellenten das Erreichen offenen Wassers unmöglich macht. Der Kasten wurde am Seeufer an einer freieren Stelle angebracht, so dass die Jungvögel das Wasser zu Fuß erreichen können.
Dann war der erste neue Kasten an der Reihe. Bei der Auswahl der Bäume achteten wir darauf, dass diese möglichst frei stehen und wenig Kontakt zu Nachbarbäumen haben, um Raubfeinden das Überklettern zu erschweren. Zur Sicherheit wurde nun grundsätzlich unter und über dem Kasten eine Manschette angebracht.
Zum Glück hatten wir Frank Segebrecht und sein hervorragend ausgestattetes Firmenmobil. Verschiedene Leitern, Akkubohrer, Akkuschrauber, Akkutrennschleifer, Ersatzakkus, Schrauben, Bits aller benötigten Größen, Bolzen, Schrauben- alles griff- und einsatzbereit, so dass die Arbeit gut zu bewältigen war, auch wenn sich das Buchenholz tatsächlich als Hartholz erwies. An dieser Stelle an Frank ein ganz herzliches Dankeschön nicht nur für seine wertvolle technische und praktische Unterstützung, sondern auch für seine Zeit, schließlich hat er den ganzen Sonnabendvormittag mit uns im Wald verbracht.
Winfried fokussierte stark auf eine einigermaßen frei stehende Buche direkt am Seeufer. Leider hatten wir die Härte des Holzes etwas unterschätzt, so dass es eine geraume Zeit dauerte, bis der Kasten und die beiden Manschetten sicher befestigt waren. Dabei machte es sich sehr gut, dass wir mehrere Leitern hatten, denn so konnte immer ein Mann den schweren Kasten festhalten, während der zweite montierte. Die Kästen sind aus Holzbeton, sehr schwer, aber auch sehr witterungsbeständig und pflegearm. Wir beziehen die Kästen aus der Behindertenwerkstatt in Neuhof, wo unser Mitglied Olaf Wenzel Werkstattleiter ist.
Der zweite neue Kasten sollte am nordöstlichen Seeufer angebracht werden. Vorher wurde jedoch der letzte Kasten am Grenzsee ebenfalls mit einer zweiten Manschette nachgerüstet. Eine ziemlich steile und wacklige Angelegenheit, hängt der Kasten doch hoch an einer Buche am Steilufer. Gut, dass wir vier Mann waren und so die Leitern gut gesichert werden konnten. Alles lief unfallfrei ab. Nun alles einpacken und einmal um den See.
Hier entschieden wir uns für eine Erle. Die erste war jedoch schon morsch, so dass die Schrauben nicht hielten. Bei der nächsten funktionierte es. Die Stelle ist für die Schellenten gut einsehbar, so dass sie den Kasten leicht entdecken können. Zudem gibt es kaum hinderlichen Bewuchs auf dem auch nur kurzen Weg ans Wasser.
Überall an den Ufern des Wolgastsees ist die intensive Nagetätigkeit des Bibers nicht zu übersehen. Offenbar gibt es mehrere Familien. Umgestürzte und abgeknabberte Bäume und Äste säumen das Ufer. Besonders schade ist es dabei um die uralten, mächtigen und landschaftsprägenden Buchen, die direkt am Seeufer stehen. Kein Förster legt dort die Säge an, aber der Biber seine Zähne. Die großen Buchen fällt er nicht, sondern ringelt sie, das heißt, er frisst die Rinde ca. einen halben Meter ringherum komplett ab. Dadurch sind die Leitungsbahnen des Baumes unterbrochen und er stirbt ab. An etlichen Buchen haben Baumschützer engmaschigen Draht angebracht, um die Bäume zu erhalten.
Am 16.02.23 wurden dann die drei Nistkastenbäume (1x Buche, 2x Erle), die dem Seeufer am nächsten stehen, mit einem engmaschigen Drahtgeflecht (Kaninchendraht) am Fuß des Stammes versehen. Das sieht nicht unbedingt natürlich aus, ist aber leider notwendig, um zu verhindern, dass die Biber diese Bäume fällen oder auch ringeln, so dass sie absterben und mit den Nistkästen leicht umstürzen können.
Nachdem der See am 11.02. noch mit einer dünnen Eisschicht bedeckt war, ist diese nun weggetaut. Innerhalb nur weniger Tage war der See mit bunten Tupfern zahlreicher Wasservögel versehen, jetzt im Brutkleid ein immer wieder schöner Anblick.
Die folgende Übersicht mag das verdeutlichen. Sie zeigt auch die Dynamik und das Tempo, mit dem der Vogelzug jetzt einsetzt, Gewässer wiederbesiedelt und zur Nahrungssuche und Rast genutzt werden.
Ungewöhnlich ist die größere Zahl an Höckerschwänen, da das anwesende Brutpaar noch seine drei vorjährigen Jungen führte, eigentlich streng territorial ist und fremde Schwäne vehement vertreibt.
Bezeichnung | Anzahl |
Graureiher | 2 |
Gänsesäger | 70 |
Zwergsäger | 8 |
Kormoran | 1 |
Stockente | 550 |
Höckerschwan | ad. 12, immat. 3 |
Reiherente | 70 |
Schellente | 25 |
Gefreut hat uns auch, dass sich Schellenten bereits auf dem See eingefunden haben. Alles ist zwar noch am Sortieren und so gab es intensives Balzgeschehen. In einigen Gruppen überwogen noch die Männchen, während sich auch schon Paare gefunden hatten, die sich etwas abseits aufhielten. Ob das schon die hiesigen Brutvögel sind oder noch Durchzügler fremder Populationen muss dabei natürlich erst einmal offen bleiben.
Bericht: Bernd Schirmeister
Fotos: Thomas Eschenauer, Bernd Schirmeister