Exkursion ins Landgrabental bei Rebelow

04.05.2024

D. Weier und K. Vegelin bei der Einführung in das Gebiet
D. Weier und K. Vegelin bei der Einführung in das Gebiet

EU-Vogelschutzgebiet, FFH-Gebiet, Landschafts-schutzgebiet, Naturschutzgebiet - in so viele Schutzgebiete führte uns die heutige Frühjahrsexkursion unserer NABU-Gruppe. Aber weit gefehlt, es ging nur in ein einziges Gebiet, für das alle genannten Schutzkategorien zutreffen: Das Landgrabental. Das musste ja ein besonderes Gebiet sein, was sich im Laufe des Tages auch als zutreffend herausstellen sollte.

 

Zunächst hieß es Treffpunkt Dorfteich Rebelow, schon am Rand des Landgrabentals gelegen. Geführt wurden wir gleich von zwei sachkundigen Begleitern, Dietmar Weier von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Vorpommern Greifswald und Kees Vegelin. Während ersterer den behördlichen Naturschutz vertritt und das Gebiet somit sehr gut kennt, auch noch aus der Zeit vor der Unterschutzstellung, hat Kees Vegelin die Entwicklung des Schutzgebietes von Anfang an begleitet und durchgeführt und erfüllt noch heute verschiedene Monitoringaufgaben und Aufgaben im praktischen Naturschutz.

In Rebelow konnten wir uns an einer Gebietskarte erst einmal informieren, wo wir überhaupt waren. Dietmar und Kees hatten weitere Karten im Gepäck, anhand derer wir die einzelnen Maßnahmen des Naturschutzgroßprojektes und deren Umsetzung erkennen konnten.

 

Bei dem Projekt handelt es sich um eine Ausgleichsmaßnahme für den Bau der Autobahn A20, die das Landgrabental auf einer Länge von mehreren Kilometern zwischen den Ortschaften Rebelow und Zinzow  umfasst, mit einer Größe von 510 ha.

 

Das Landgrabental ist während der letzten Vereisungsphase der Weichseleiszeit vor etwa 14000 Jahren entstanden. Es stellt eine nacheiszeitliche Abflussbahn der gewaltigen Schmelzwassermengen dar, die tief in die umliegenden Moränenplatten einschnitt. Infolge der nacheiszeitlichen Erwärmung und Meeresspiegelanstieg kam es zu einer flächenhaften Versumpfung der Talniedrung.

 

In historischer Zeit wurde das Landgrabental von Menschen auf verschiedenste Weise verändert mit vielen negativen Folgen. Das große Niedermoor wurde stark entwässert, teilweise für Ackerbau umgebrochen, der Landgraben begradigt und intensive Landwirtschaft betrieben. Das führte zur Degradierung der Moorflächen und ihrer 6-7 m starken Torfschichten mit Sackungen bis 60 cm und Freisetzung riesiger Mengen klimarelevanter Gase. Artenarmut in Tier- und Pflanzenwelt waren weitere Folgen. Zusätzlich wurde nahebei Mitte der 70er Jahre der Peenesüdkanal gebaut, mit dem Ziel, Ackerflächen zu bewässern, u. a. auch für die Friedländer Große Wiese, wo dieses Wasser verregnet wurde. 

Damit war nun Schluss. Bereits 1993 wurde das Landgrabental als Landschutzgebiet mit einer Größe von 4000 ha gesichert.

 

1994 wurde mit der Umsetzung des Naturschutzprojektes begonnen. Man kann nicht die ehemaligen Zustände wiederherstellen. Aber man kann versuchen, der Natur und natürlichen Entwicklungen wieder Raum und Zeit zu geben. Wichtigste Maßnahme war die Wiederherstellung eines landschaftsangepassten Wasserhaushaltes, d. h. das Wasser musste in der Landschaft gehalten werden, heute mehr denn je auch eine der wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzes.

 

Durch den Höhenunterschied von bis zu 1,50 m im Tal war es notwendig, Gräben zu verschließen, Fanggräben am Fuß der Talhänge zu verfüllen und v. a. Querverwallungen in großer Zahl einzubauen, denn das Wasser sucht sich ansonsten seinen Weg. Und Nutzung sollte trotz Vernässung weiterhin möglich sein und ist auch notwendig, denn sonst verbuscht und bewaldet die Offenlandschaft sehr schnell. Aber auch Wasserregulierung bleibt notwendig, sonst wird das Gebiet durch zu hohe Wasserstände, durch Rückstau von Wasserpflanzen zu nass und Pflege und Beweidung funktionieren nicht. Also wurde ein umfangreiches Pflegekonzept entwickelt.

 

Nach der planmäßigen Übertragung der Verantwortung dafür von der Autobahngesellschaft Deges auf die Landgesellschaft M-V führt diese das Konzept nun fort und passt es ständig den aktuellen Erfordernissen an. Zusätzlich werden Maßnahmen umgesetzt, für die Gelder aus der Kompensation der Ortsumgehung Wolgast zur Verfügung stehen.

 

Auf den Talhöhen mit ihren trockenen und mageren Böden ist auf den jetzigen Ackerflächen geplant, über ein Ökokonto der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe artenreichen Trockenrasen zu etablieren, was mal eben ca. eine dreiviertelmillion Euro kostet. Der Eintrag von Pestiziden und Düngemitteln wird beendet, was auch einer artenreichen Insektenfauna sehr zugute kommt.

Später soll dort die Landschaftspflege mit Schafbeweidung durchgeführt werden und in nassen Jahren auch Ausweichflächen für Rinder aus dem Tal. Denn dort wird beweidet, 80 ha etwas trockenere Standorte mit Rindern und 110 ha nasse Flächen mit Wasserbüffeln.

 

Ebenso wichtig ist die Mahd der ungemein artenreichen Hangquellmoore, wovon wir uns an diesem Tag ein eindrucksvolles Bild verschaffen konnten. Zudem tritt in den letzten Jahren der Biber immer stärker als Landschaftsgestalter und Wasserbauer in Erscheinung.

 

Als wir den Hang des Landgrabentals erreichten, blieben alle erst einmal sprachlos stehen, was für eine Höhe, was für ein Ausblick. Kilometerlang erstreckte sich das Tal unter uns als langes schmales Band. FeuchteWiesen, offene Wasserflächen, schilfbestandene Grabenreste, kleine Bruchwälder bildeten ein schwer zu überschauendes Landschaftsmosaik.

 

Über dem Tal kreisten Mäusebussarde, Rot- und Schwarzmilane, in der Niederung waren überall Kranichpaare, dazu Graugänse, einzelne Kiebitzpaare und auch mal eine überfliegende Bekassine. Und natürlich Singvögel, die jetzt im Frühling aus voller Kehle sangen und ihre Revieransprüche damit geltend machten. Kuckuck, Sprosser, Drossel- und Schilfrohrsänger, Wiesenpieper, Mönchsgrasmücken, Zilpzalpe und viele andere sangen und wir übten Vogelstimmen erkennen. Im Herbst und Winter ist das Gebiet auch bedeutsam als Rast- und Schlafplatz für Kraniche und Singschwäne.

kreisender Rotmilan
kreisender Rotmilan

Mindestens genauso interessant waren jedoch die Talhänge. Vögel gab es auch: Wendehals, Schwarzkehlchen, Bluthänflinge, Fitisse, Gold- und Grauammern, Feldlerchen und sogar Heidelerchen. Umwerfend war jedoch die Pflanzenwelt, als deren Kenner sich Kees Vegelin erwies.

 

Von Hangquellmooren und Kalksümpfen hatte jeder schon einmal gehört. Aber hier sahen wir sie in ihrer ganzen Blütenpracht: Schlüsselblumen und Mehlprimeln zu tausenden, dazu Sumpfdotterblumen, Bachnelkenwurz, Kleiner Baldrian, Sumpfkreuzblümchen, immer noch zu hunderten, Kalksimsen, Nordisches Labkraut, Fettkraut, eine sogar fleischfressende Pflanze, Teufelsabbiss- nicht nur klingende Namen, sondern oft auch Mitglieder der Roten Liste und andernorts selten. Und Orchideen natürlich, massenhaft blühten überall bereits Breitblättrige Knabenkräuter.

 

 

Kees und Dietmar machten aber auch den hohen Arbeitsaufwand deutlich, der hinter diesem Artenreichtum steckt. Die wehrartigen Verbauungen, Kaskaden ähnlich, waren notwendig, um das Quellwasser am Hang zu halten. Teils mehrfache Mahd im Jahr mit einfacher Technik nur per Hand, um Bodenverdichtungen zu vermeiden und die schützenswerten, aber konkurrenzschwachen Arten zu befördern. Ansonsten wachsen sehr schnell Weiden und Erlen auf. 

Zum Schluss ging es noch auf den Haus- oder Schlossberg. Ohne Haus und Schloss, aber mit Schafen, die hier die Landschaftspflege übernehmen. Nachtigallen lieferten sich einen Sängerwettstreit und alle genossen nochmals den weiten Blick über das Landgrabental von diesem exponierten Punkt.

Auf dem Hausberg
Auf dem Hausberg

Was haben wir nun alles gesehen und gehört? Eine kurze Artenliste ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Art Anzahl*
 Graugans 6
Schnatterente 2 (1,1)
Mäusebussard 2
Rotmilan 2
Schwarzmilan 1
Kranich  13 (3x2, 1x1, 1x6 - Nichtbrüter)
Kiebitz 2
Bekassine 1
Wendehals 1 rM
Kuckuck 3 rM
Sprosser 2 sM
Nachtigall 4 sM
Schwarzkehlchen 2 (2,0 warnend)
Heidelerche 1 sM
Pirol 1 sM
Dorngrasmücke 1 sM
Drosselrohrsänger 1 sM
Schilfrohrsänger 4 sM
Schafstelze  1 (1,0)
Neuntöter 1 (1,0)
Kolkrabe 6
Nebelkrähe  3
Goldammer 3 sM
Grauammer 4 sM

*Erklärungen zu den Abkürzungen:

sM = singende(s) Männchen

rM = rufende(s) Männchen

(x,y) = Anzahl beobachteter Exemplare (x=Männchen, y=Weibchen)

Bericht: Bernd Schirmeister

copyright Fotos: Bernd Schirmeister, Winfried Becker, Marisa Kaster