Botanikexkursion- das hört sich erstmal nach Kräutich, langweiligen Gräsern und haufenweise grünen Blättern an.
Aber welch klangvolle poetische Namen bieten Gänsefingerkraut, Weinlauch, Weiße Pestwurz oder Wiesenlabkraut, um nur einige zu nennen. Aber nicht nur die Namen klangen interessant und machten uns neugierig auf die Pflanzen. Das Hintergrundwissen, welches uns Werner Schnapp als Botaniker und heutiger Exkursionsleiter zu den vielen Pflanzen
vermittelte, war oft verblüffend und spannend, in jedem Fall aber interessant und für viele der Teilnehmer auch Neuland.
Aber der Reihe nach. Treffpunkt war wie immer, wenn wir uns auf dem Gnitz treffen, der Parkplatz am Zeltplatz. Gut 15 Teilnehmer waren pünktlich zum Start der Wanderung erschienen. Das Wetter meinte es nicht gut, sondern hervorragend. Gestern noch böiger, kalter Ostwind, heute fast Windstille, gut, Sonnenschein ist immer und später malerische Schönwetterwolken. Alle genossen die Wärme. Dass allerdings Feuchtigkeit fehlt und Regen nach wochenlanger Trockenheit dringend vonnöten wäre, davon konnten sich alle im Laufe der Wanderung selbst überzeugen.
Wobei Wanderung leicht übertrieben ist, denn bei einer Botanikwanderung kommt man ja nicht vorwärts, weil es dauernd etwas Interessantes zu sehen gibt oder Werner uns darauf aufmerksam machte oder die Teilnehmer danach fragten. Und Werner wusste nicht nur die Namen meist aus dem Gedächtnis zu nennen, sondern hatte jede Menge zusätzlicher und oft kurzweiliger Informationen parat, so dass die Exkursion auch ein Exkurs in die Medizin, Naturheilkunde und Kulinarik wurde, denn viele Pflanzen helfen heilen oder schmecken einfach gut. Andere nicht, aber auch das wusste Werner zu erklären.
Der Gnitz ist nun für das heutige Unterfangen ein sehr geeignetes Gelände. Gut, ist es momentan fast überall grün, aber hier gibt es kleinräumig verzahnt viele verschiedene Lebensräume mit Trockenrasen, Feuchtwiesen, Gewässerufern und Waldrändern mit einer entsprechend großen Vielfalt an Pflanzen, erlebte Biodiversität.
Schon beim Gang über das Zeltplatzgelände fanden wir Salomonssiegel und Reiherschnabel, der jetzt blühte und später spitze schnabelähnliche Fruchtkapseln trägt.
Nun blühte uns Wiesenlabkraut, das die Lymphe reinigt und Sauerampfer, der sich gut im Kräutersalat macht.
Seifenkraut biete tatsächlich einen Zusatzstoff zur Seifenherstellung. Wiesenkerbel hilft gegen Magen- und Darmbeschwerden sowie dem Sumpfrohrsänger bei der Nestanlage.
Wolliger Storchschnabel- auch so ein schöner Name, Wilder Hopfen- eine Kletterpflanze. Dazu passte der fast ständig flötende Pirol mit seinem „Einen Liter Bier her“- zumindest hat Winfried den Gesang lautmalerisch so übersetzt.
Die Stieleiche mit ihren frischen hellgrünen Blättern hat keine Stiele. Erst die Früchte hängen daran.
Nelken gibt es nicht nur im Blumenladen, sondern draußen wuchsen auch schon welche. Grasnelken in Mengen und gerade am Aufblühen waren die Karthäusernelken- was für ein Pink!
Giersch bezeichnete Harald als lästig, Werner als hilfreich gegen Rheuma und Gicht und schmackhaft im Kräutersalat. Es kommt eben immer auf den Blickwinkel und die Betroffenheit an.
Hat jemand ein Taschenmesser? war die nächste Frage. Werner brauchte es zum Freilegen einer Wurzel, an der er den Knolligen Hahnenfuß bestimmte. Kriechender Hahnenfuß und Scharfer Hahnenfuß vervollständigten das Hühnertrio. Dazu gesellte sich später noch der Vogelfuß, eine kleine krautige Pflanze mit drei kleinen gebogenen Stielchen wie ein Vogelfuß. Verblüffend, wie sich manchmal die Namen erklären.
Vögel gab es zwischendurch auch reichlich zu hören und manchmal auch zu sehen: Kuckuck, Garten- und Mönchsgrasmücken, Singdrossel, Zilpzalp. Auch im fortgeschrittenen Frühjahr wurden die Revieransprüche stimmlich kund getan.
Rotmilan kreiste neben Sperber, Schwarzmilan streitend neben Mäusebussard, kurz ein Seeadler- die gute Thermik lockte alle heraus.
Auf dem ausgedehnten Trockenrasen stand reichlich Kleines Habichtskraut mit hübschen gelben und nektarreichen Blüten sowie tückischen Wurzelausläufern, hoch invasiv im eigenen Garten. Wiesenbläulinge ließen sich gleich mehrere beobachten. Am Rand stand Weinlauch, der wie Schnittlauch gegessen werden kann, Klettenlabkraut, vom dem wir Menschen uns den Klettverschluss abgeguckt haben und Ackerschachtelhalm, der gegen Nierenkrankheiten hilft.
Nun ging es hinab zur Krumminer Wieck, wo wir auf feuchteren Standorten Sumpfdistel, Kriechenden Hauhechel und Gänsefingerkraut entdeckten. Aber wir hatten den Blick nicht nur am Boden, sondern alle genossen die Aussicht über Achterwasser, Peenestrom und Krumminer Wieck zur Binnenküste der Insel, zum Lieper Winkel, nach Lassan, zum Bauerberg und weiter bis Wolgast.
In einer Bucht ließen sich Teichralle und Karmingimpel hören, sowie Teichrohrsänger, die sich aus geringer Entfernung Gesangsduelle lieferten, offenbar ein Optimalbiotop für die Art. Später kam noch ein sehr lauter Drosselrohrsänger dazu, dem noch zwei weitere folgten. Die Art braucht Schilf mit dicken Stängeln, damit die dort verflochtenen recht schweren Nester ausreichend Halt bekommen.
Schnell wurde das Biotop wieder trockener. Mengen an Laubkäfern flogen über den Rasen, ein Kleinspecht rief aus einem Wildbirnbaum und jedem fiel die großblättrige weiße Pestwurz auf. Dazwischen wuchs Strandroggen, wichtig für den Küstenschutz, weil seine ausgedehnten Wurzelsysteme den Sand festhalten. Hübsch anzusehen waren die ersten zartrosa Blüten der Wildrosen.
Jetzt waren wir im Revier von Neuntöter und Sprosser, dessen volltönender Gesang auch einigen Touristen aufgefallen war, so dass sie uns danach fragten.
Nun war der Höhepunkt der Exkursion erreicht, die Orchideenwiese im NSG Südspitze Gnitz. War das eine Blütenpracht, dutzende Blütenstängel, violett die Blüten des Breitblättrigen Knabenkrautes und etwas heller rosarot die Blüten des Fleischfarbenen Knabenkrautes. Zum Schutz ist die Fläche eingezäunt, wird später auch beweidet bzw. gemäht, aber erst nach der Blütezeit. Hier fand Werner noch den Stranddreizack, eine salztolerante Pflanze, was man auch schmecken konnte.
Am Feuchtbiotop kurz vor dem Weißen Berg kamen wir auch noch vorbei. Aber nun war es deutlich nach Mittag, die Wärme nahm zu, die Konzentrationsfähigkeit ab, also Rückmarsch zum Parkplatz, den Kopf voll mit neuen Namen und interessanten Fakten.
Für die lehrreiche und kurzweilige Führung sei Werner Schnapp an dieser Stelle ausdrücklich herzlich gedankt. Eine tolle Wanderung, zwar wenig Strecke, aber viel Erkenntnis.
Bericht: Bernd Schirmeister
Fotos: Bernd Schirmeister, Winfried Becker